treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

ROBERTO FONSECA (KUBA) SPIELT FÜR SIEGER & VERLIERER AM SONNTAG IM TREIBHAUS

Am kommenden Sonntag findet im Treibhaus die wundersamste Wahlparty ever statt: Sieger & Verlierer der Bürgermeister-Stichwahl feiern im Treibhaus gemeinsam - den neuen politischen Frühling. Und nachdem Georg Willi auf einen eigenen Raum verzichtet ist nun doch Platz für das eigentlich geplante Konzert: Roberto Fonseca, der mit dem Steinway tanzt, bezaubert mit seinen kubanischen Rhythmen, heilt alle Wunden des vergangenen Wahlkampfs und befeuert die neue Zeit in Innsbruck. Lasset uns singen, tanzen und springen.

ZUM ABSCHLUSS DES FESTIVALS ::: REMEMBER WERNER VOGT (1938 -2023)

Der Arzt und Essayist Werner Vogt (1938–2023). 


In Tirol herrschte zu seinem Tod im November 2023 bisher Totenstille.  Das Treibhaus und das Gemeindemuseum Absam erinnern in der Abschlußveranstaltung des Journalismusfestes an den großen Tiroler Werner Vogt: Rainer Egger und Johann Nikolussi lesen den Essay „Finsternis: Der Fall Gross“ aus dem Jahr 2005.
Begleitet werden sie von Xaver Schutti mit seiner Trompete!.

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Vor 50 Jahren, im November 1974, hatte der 1938 in Zams geborene Werner Vogt seinen ersten Fernsehauftritt, dessen Umstände sein weiteres politisches und publizistisches Wirken prägten. Denn schon Wochen vorher hatte die Ärztekammer alles versucht, um den Film „krank. Anmerkungen zum Spitalswesen“ von Götz Hagmüller zu verhindern. Der Arzt Dr. Werner Vogt war im Film Diskussionspartner des Ärztekammerpräsidenten Richard Piaty. Werner Vogt schreibt zu diesem Auftritt in seinem Lebensbericht Mein Arztroman: „Piaty zeigte sich in Mimik und Sprache als vorwurfsvoller Patientenfeind: Alle fressen sich krank. Ich, der freundlich strahlende Jungarzt, verwarf die schnöde Selbstschuldtheorie, berichtete von sozialen Krankheitsursachen und wies nach, dass sich die kurative Spitalsmedizin in einer schweren Krise befinde, mitverursacht durch die Kammer.“ Der kritische Film wurde trotz Protests der Kammer im Hauptabendprogramm ausgestrahlt und war so erfolgreich, dass er – trotz Kammer-Gezeter – sogar wiederholt werden musste.

Der ehemalige Tiroler Volksschullehrer, der seine erste Lehrerstelle in Vorarlberg  – einen „sicheren Posten“ wie er später formulierte – fluchtartig verlassen hatte, begann in den 1960ern in Wien Medizin zu studieren. Mitte der 1970er hatte er im Film „krank“ den ersten Schritt aus einem System heraus gemacht, das er sein weiteres Leben lang als Aktivist der Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin und als Essayist kritisieren wird. 2010 meinte Werner Vogt, dass er in den zahlreichen gesellschaftlichen Konflikten Ende der 1960er seinen Zweitberuf erlernt hat: das Schreiben. Denn Werner Vogt wird in den nächsten Jahrzehnten ein Doppelleben führen – als Arzt in einem Unfallkrankenhaus und als Publizist, der keine reißerischen „Geschichten“ aus der Spitalsmaschinerie aufgetischt hat, sondern der in unzähligen Essays, Kommentaren, Kolumnen und Glossen nicht nur darauf hinwies, dass Krankheit eben „kein Zellunglück, kein Organversagen, das sich in Individuen ereignet, die ein falsches Leben führen“, ist, sondern, dass Medizin die lebensgeschichtliche und vor allem die soziale Dimension von Krankheit ins Zentrum zu rücken habe.

Einatmen und Ausatmen mit Nenning, Ringel, Cap, Pilz u. v. a.

Aber nicht nur mit dem politischen System, auch mit dem politischen Personal beschäftigte sich Werner Vogt. So bringt er die Rolle von Günther Nenning auf den Punkt, denn „in ihm ist alles, was schon einmal Mode war, versammelt, durch ihn ist fast jeder neuen Idee Luft und Entwicklungsmöglichkeit genommen worden“. Den Professor Erwin Ringel fragte er, warum er „noch nicht an dem Weihrauch erstickt ist, den ihm die Biedermänner der Medienkultur zum Dank für die Erfindung der Österreichischen Seele zugewedelt haben“. Sein Bestseller betreibe die „schäbige Kunst der Psychointerpretation“ gesellschaftlicher Ereignisse. Und Vogt resümierte: „Ringel hat ein schlechtes Buch geschrieben. Freilich, ein gefälliges, ein geschwätziges. Jeder Behauptung folgt ein zünftiges Zitat. Dadurch erspart er sich das Argument. Besser, er hätte uns das Buch erspart, das nun nicht enden wollende Geschwätz von der österreichischen Seele.“ Und lange bevor Armin Wolf 2022 an die ORF-Stiftungsräte appellierte „es ohne Parteifreundeskreise zu probieren“ stellte Werner Vogt 1982 zur Diskussion, ob das österreichische Fernsehen wirklich so „tranig und parfümiert“ sein müsse? Vogt beschäftigt sich zwar auch mit den damals neuen „Seitenblicken“ – ein Stelldichein der plappernden Schweinemägen –, aber auch die Machtstruktur des Staatssenders nimmt er ins Visier und stellt die Frage, wer denn so vom ORF-Kuratorium gewählt wird? Vogt: „Der Gewählte kann eine Niete sein oder ein Talent, entscheidend ist seine verbürgte Treue zum Freundeskreis. Freilich: Nieten werden häufiger gezogen als Talente.“ Heute benützt man vielleicht mit Begriffen wie „Sideletter-Leak“ eine neue Sprache, das damit Bezeichnete ist aber noch immer das „Gängelsystem“ in Form eines gigantischen Amüsierbetriebs, von dem Vogt vor über 20 Jahren geschrieben hat.

Österreichische Finsternis: Der Fall Gross

Dreimal haben seine Gegner Werner Vogt vor Gericht gebracht. Der Prozess mit der größten öffentlichen Wirkung war die Klage des Euthanasiearztes Heinrich Gross wegen „übler Nachrede, die sich dann als aufklärende Rede gegen den Euthanasiearzt erwies, mir nützte, Gross dauerhaften Schaden zufügte“ (Werner Vogt). Die Auseinandersetzung mit den Patientenmorden in der Kinderfachabteilung Am Spiegelgrund in Wien 1940ff hat Heinrich Gross noch im Jahr 2000 mit „ich glaube, man könnte mir nichts nachweisen“ kommentiert.

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Werner Vogt hat in profil, Falter und Jüdischem Echo publiziert. Seine Texte sind in „Arm, krank, tot. Argumente für ein gewaltloses Krankenhaus“ (1989), „Einatmen, Ausatmen. Der Missstand als Norm“ (1991),  „Reisen in die Welt der Altenpflege“ (2005) und in „Mein Arztroman“ (2013) in Buchform erschienen.

Werner Vogt - Biografische Notiz

Werner Vogt, geboren am 3. Februar 1938 in Zams/Landeck, Tirol. Nach dem Besuch der Bundeslehrer- und -lehrerinnenbildungsanstalt in Feldkirch Lehrer in Bregenz und Bersbuch/Bregenzer Wald von 1957 bis 1958. Ab 1958 Studium der Psychologie, 1959 bis 1969 Medizinstudium in Wien. Von 1969 bis 2001 Facharzt für Unfallchirurgie und Oberarzt am Wiener Lorenz Böhler Krankenhaus der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt.

1975 Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft » Kritische Medizin «, 1975–1976 Modellversuch » Beratungszentrum für Gesundheit und Soziale Fragen « in Wien, 1979 Besuch der Flüchtlingslager an den Grenzen Nicaraguas im Auftrag der österreichischen Bundesregierung, 1979 Anklage von Primarius Heinrich Gross gegen Vogt – 1981 Freispruch durch das Oberlandesgericht Wien, 1981 Arbeit als Unfallchirurg in Juigalpa/Nicaragua, 1989 Arbeit am Orthopädischen Spital in Temesvar/Rumänien, 1991 und 1992 Fact-Finding-Missionen im Kosovo im Auftrag der OSZE, 1993 Bericht vor dem Europaparlament in Brüssel über die Ergebnisse der Wahrnehmungen im Kosovo, 2001 Mitinitiator des Volksbegehrens » Sozialstaat Österreich «, 2003 Pflegeombudsmann in Wien.

Auszeichnungen:
Friedrich Torberg-Medaille der Israelitischen Kultusgemeinde, Wien (2000)
Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (2002)

Werner Vogt ist am 12. November 2023 in Wien gestorben.

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