treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

DER TREIBHAUS*KONZERT*PASS WiNTER 2024/25 - der frühe vogel fängt den wurm:

solang der vorrat reicht gibts jetzt - hier im netz oder im treibaus - den wunderbaren TREiBHAUS-KONZERT-PASS - winter 24/25. der kost nach wie vor 44:30 & gilt für fast alle konzerte im treibhaus - vom 15.12.'24 bis 10.5.'25

NAKED LUNCH

ALL IS FEVER: SONGS FOR THE EXHAUSTED  - konkrete Ahnungen einer besseren, reicheren, volleren Welt,

Hier gibt es noch mehr zu hören und zu sehen. Wie den endlich freigesetzten Geist von Phil-Spector-Produktionen bittersüßer und ewig altersloser Jugendtage, der rastlos durch den Luna Park unseres kollektiven Unterbewussten schwebt. Den Luna Park, den David Lynch und Mark Frost in einer unerwarteten (europäischen) Fortsetzung von Twin Peaks im Sinne einer volleren und reicheren Welt inszenieren. Wo das Licht so unpackbar ist, so wirklich und wirklicher. Von ganz grell-hell bis schummrig und dunkel, dort, wo wir volltrunken und ungeniert in unseren Seelen und Unterleibern wühlen. Wo die unschuldigsten Vergnügungen brandgefährlich sind, die Aromen so real und konkret, dass einem gut und furchtbar schlecht davon werden kann, Sex an Schuld und Sühne anstreift, aber ebenso und noch mehr an: „I did it with my best friend's wife/it felt like paradise.“

Mit „Songs For The Exhausted“ (2004) haben sich Naked Lunch, 1991 in Klagenfurt/Österreich gegründet, ein künstlerisches Plateau geschaffen, von dem aus sie seither musikalisch und inhaltlich weitergehen.
Es folgten „This Atom Heart Of Ours“ (2007) und „Universalove“ (2009), die preisgekrönte Arbeit (Max Ophüls Preis) mit Filmregisseur Thomas Woschitz, der es gelang, Musik und Film gültig und neu miteinander zu verbinden. Mit ihrem Beitrag zu einer Theateradaption von Kafkas „Amerika“ (2011) kam die Band in Österreich in der Hochkultur an – zu ihren eigenen Bedingungen, ohne ihren ästhetischen Widerstandsgeist aufzugeben. Ihre stetig gewachsene Relevanz verdanken Naked Lunch dabei der Fähigkeit, sich immer wieder in Frage zu stellen und dann, nicht ohne Mühen, neu aufzustellen.

„All Is Fever“ nun ist das denkbar beste, in seiner Schönheit und Konsequenz durch und durch erschütternde Album, das Naked Lunch an diesem Punkt ihrer Geschichte machen konnten. Abermals haben sich diese wagemutigen Wahnsinnigen im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens von dem, was vorher war, gelöst, hatten den Mut, nach dem langen Verfolgen der Spur eines stillen, reduzierten Albums dieses komplett zu verwerfen, nicht zuletzt aus tätigem Misstrauen zur Singer/Songwriter-Form.

Jetzt evozieren Songs wie „The Sun“ oder „Lovecourt“ konkrete Ahnungen einer besseren, reicheren, volleren Welt, in der David Lynch und Mark Frost das Budget für eine Fortsetzung von „Twin Peaks“ als Serie von Kinofilmen haben. „The Sun“ spielt im geil ausgeleuchteten (von grell hell bis schummrig und dunkel, dort, wo wir in Seelen und Unterleiben wühlen) Luna Park des kollektiven Unterbewussten. Wo Vergnügungen gefährlich sind, die Aromen so real und konkret, dass einem gut und furchtbar schlecht davon werden kann, Sex an Schuld und Sühne anstreift, aber ebenso an:„I did it with my best friend's wife/it felt like paradise.“  

Mit Verbündeten wie Olaf Opal oder Gustav schöpfen Naked Lunch bei „All Is Fever“ aus dem Vollen, denken über Grenzen oder Definitionen von Indiemusik, europäischem Kunstlied, Ballade, Pop, gebrochenen humanistischen Hymnen und elektronisch unterlegtem Todes-Soul nicht einmal mehr nach. Sie geben jedem Lied, was es braucht, sind dabei zugänglich und zärtlich wie nie zuvor, machen Zeit und Geschichte spürbar, die in den Songs steckt. Ein Geschenk, weil diese Zeit und diese Geschichte jetzt (auch) uns gehören. Das steckt in diesen zehn Songs, die die Band für „All Is Fever“ über viele Monate hinweg im Studio des Naked-Lunch-Bassisten und Produzenten Herwig Zamernik erarbeitet, gespielt und produziert hat. Musik, die sich traut, schön zu sein. Wichtig. Groß. Mutig. Klug. Herzzerfetzend. Weltverlierend und weltumarmend, in ein und demselben Moment. Kein Aber, kein smartes Relativieren, keine erbärmliche Ironie. „Keep it hooray.“

Oliver Welters erste Worte auf „All Is Fever“ lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Keep it hardcore / keep it real / keep it left / and please keep your will / like a hammer / like a bullet / like a bomb.“ Das Album endet mit „Funeral“, einem fast wie beiläufigen Trauer- und Abschiedslied, das explizit die Frage stellt: „Will I meet you again/is it a start or is it just the end?“. Zwischen „Keep It Hardcore“ und „Funeral“ und deren bewusst so unterschiedlichen musikalischen Ausformungen liegt und bewegt und verändert und offenbart sich „All Is Fever“ als ein Ganzes und ein Fieber, das wir alle dringend haben wollen.


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* STANDARD INTERVIEW

Naked Lunch: "Im Blues geht es immer um alles"
INTERVIEW CHRISTIAN SCHACHINGER, 28. Jänner 2013, 17:39

Naked Lunch liefern seit mehr als 20 Jahren hochklassigen Pop zwischen Euphorie und Verzweiflung - Anlässlich des neuen Albums "All is Fever" sprachen die Musiker über Himmelfahrt und Inbrunst
STANDARD: Einerseits hört man in der Musik Naked Lunchs ein Wollen, die Welt aus ganzem Herzen zu umarmen, andererseits wird die Handbremse gezogen und gesagt, wirklich gut läuft das hier aber nicht. Ist dieser Eindruck falsch?

Oliver Welter: Diese beiden Seelen schlagen in unserer Brust. Wir versuchen allerdings, dem klassisch depressiven Singer-Songwritertum entgegenzuwirken. Textlich kann ich halt aus meiner Haut nicht raus. Es gibt keinen Grund, optimistisch zu sein.

STANDARD: In zwei Liedern des neuen Albums "All is Fever" geht es darum, Berge zu erklimmen. Man klettert vorbei an der schönen Welt nach oben, eine anstrengende Himmelfahrt. Auf halber Strecke auf dem Gipfel angekommen, verreckt der Motor, und es geht nicht mehr weiter. Zu allem Überdruss schicken dann die Kärntner Beach-Boys- und Grenzlandchöre Regenwetter.

Welter: Ha, ha, da können Sie jetzt aber ein Buch drüber schreiben. Genau das war die Intention!

Stefan Deisenberger: Wir verwenden gern Metaphern der Bewegung. Ihr Ziel ist aber kein gutes.

STANDARD: Geht es darum, dem Stillstand entgegenzuwirken und die Verzweiflung künstlerisch in Grenzen zu halten? Naked Lunch bedeutete immer auch: Jammern auf höchstem Niveau.

Welter: Weitermachen ist ein Credo von uns. Auch rein arbeitstechnisch betrachtet. Sonst müsste man sich ja umbringen. Das mag ich nicht. Nicht täglich, nur jeden zweiten Tag. Ich schätze es sehr, wenn ich kleines Ego mit der Gitarre traurige Lieder vor mich hinsinge - und dann kommt die restliche Band und sagt: Halt doch deinen Mund. Wenn man sich nicht seinem kleinen weinerlichen Gefühl unterwirft, sondern jemand dagegenhält. Da fühlen wir uns wohl. Ich bin oft erstaunt, was mit einem Song passiert. Nicht alle in der Band wollen die Befindlichkeit des Songwriters transportieren.

Herwig Zamernik: Ich bin auch nicht der Meinung, dass hier dauernd gejammert wird. Es gibt eine gewisse Grundmelancholie, das schon. Die meisten anderen neuen Songs, etwa The Sun, klingen aber alles andere als weinerlich. Wenn man uns aber vorwirft, fatalistisch zu sein, trifft das zu.

Deisenberger: Einigen wir uns doch auf fatalistisch-euphorisch.

STANDARD: Ironie ist jedenfalls nicht die Sache Naked Lunchs.

Welter: Wenn Musik dilettantisch angelegt ist, mag ich Humor schon. Generell ist mir ernste Musik allerdings lieber als der Clown von nebenan.

STANDARD: Kann es sein, dass das Zielpublikum auch merken würde, wenn es Musik mit roter Nase geboten bekommt?

Zamernik: Ja, wenn man beispielsweise deutschen Schlager mit diesen oft tragischen Inhalten singt, muss man genau diesen ernsten Hau haben, um glaubhaft zu sein. Es wäre für mich solo als Fuzzman wahnsinnig interessant, einmal ironiefrei deutschen Schlager zustande zu bringen.

Deisenberger: Dann musst du aber damit aufhören, dich mit diesen tiefen Schlagerarrangements aus den 1970er-Jahren abzuplagen. Das ist genau das, wo man merkt, dass etwas nicht stimmt.

Zamernik: Das Zielpublikum ist nicht so blöd, wie man glaubt.

Welter: Man muss es mit voller Inbrunst machen.

STANDARD: Funktioniert das tatsächlich, wenn man zu viel Gefühl in ein Lied legt? Ruft das Intensive beim Laufpublikum nicht Unbehagen hervor? Die meiste Musik wird für Menschen gemacht, die sich nicht für Musik interessieren.

Welter: In meinem Fall nicht! Mir gefällt das, wenn irgendwelche Wahnsinnigen daherkommen und sagen: Wir sind drogensüchtig, spielen nur einen Akkord und legen viel zu viel von allem in dieses Wenige. Das kann von Indiepop bis zu House oder extremem Metal von Slayer reichen.

Zamernik: Eine interessante Sicht der Dinge.

STANDARD: Wie schafft es Oliver Welter als reflexiver Mensch, sich in die eigene Musik kippen zu lassen, ohne dass das peinlich wirkt?

Welter: Die Band ist ein hartes Korrektiv. Ich bekomme dann zu hören: Geh zur Essenz! Eine Naked-Lunch-Produktion ist immer eine sehr schmerzvolle Erfahrung, ein Prozess, vor dem alle Beteiligten Angst haben. Immer noch weiter in den Gatsch! Über die Peinlichkeitsgrenze hinaus. Kann man das noch bringen? Im Zweifel denke ich mir, dass man alles bringen kann. Ich höre gern amerikanischen Blues, den echten, nicht von irgendwelchen Kasperln. Im Blues geht es immer um alles.

STANDARD: Ist hier der Übergang zur zustandsgebundenen Kunst nicht recht fließend? Naked Lunch verwenden im Song "The Sun" als Gegengift doch auch recht bewusst scheinbar abgegriffene Schablonen wie Glockenspiel oder den "Wall of Sound" eines Phil Spector aus den 1960er-Jahren, um Distanz zu schaffen.

Deisenberger: Wir wollten dieses abgegriffene Popformat nehmen und schauen, wie sehr man es ausreizen kann.

Welter: Ich wollte immer wirklich großen Pop machen. Im Endeffekt sind mir Roxy Music näher als eine Grungerockband aus Seattle.

STANDARD: Naked Lunch sind als diskussionsfreudige Band bekannt. Wie oft gibt es Streit? Man hört ja auch das kämpferische Element, die Reibung, den Druck hinter dem Endergebnis.

Welter: Das ist sehr höflich formuliert. Wir sind keine demokratische Band.

Zamernik: Es ist nicht lustig. Andererseits kann es dem Hörer egal sein, wenn sich die Musiker in die Haare kriegen.

Welter: Wenn wir nur Naked Lunch machen würden und nicht zusätzlich Soloprojekte oder Theatermusik, hätten wir uns schon gegenseitig umgebracht. Die Reibung ist bei Naked Lunch vorprogrammiert.

Zamernik: Mir wäre Naked Lunch allein definitiv zu wenig.

Welter: So, so.

Zamernik: Überall auf der Welt wird gestritten. Streiten ist das Normalste von der Welt.

Deisenberger: Wir streiten heute viel besser als früher. Das Untergriffige ist vorbei.

Welter: Die besten Platten der Rockgeschichte sind aus Blut und Schweiß entstanden.

(Christian Schachinger, DER STANDARD, 29.1.2013)

Naked Lunch, die 1991 von Oliver Welter gegründete Klagenfurter Band, beglückt die Welt mit melancholischen und von Chören zwischen Kärntner Grenzland und kalifornischen Beach Boys geprägten Liedern. Zu ihren erfolgreichsten Alben zählen "Songs For The Exhausted" (2004) oder "This Atom Heart Of Ours". Das neue Album "All is Fever" (Tapete Records/Wohnzimmer) gibt sich kämpferischer als zuletzt und zielt auf den großen erwachsenen Popsong. Zum Line-up zählen auch die Produzenten und Solokünstler Herwig Zamernik (Fuzzman) und Stefan Deisenberger (Love & Fist).



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SPERRSTUNDE
FILM - LIVE


"Von New Jersey nach downtown Klagenfurt: Dort hat Thomas Woschitz Szenen gefilmt, die Songs der Kärntner Band Naked Lunch illustrieren und am Freitag zu deren Konzert gezeigt wurden: Man sieht Sperrstunden, graue, müde Gesichter von Mühseligen und Beladenen, denen nicht einmal eine Sperrstunde gegönnt ist. "Songs for the Exhausted" hieß die letzte CD dieser meisterlichen Band, und tatsächlich hörte und hört man die Erschöpfung aus ihren Songs. Im neuen Programm holt ganz am Schluss eine offensichtlich völlig erledigte, vom Leben angespeiste Frau eine Gasflasche ins Auto, dreht auf. Selbstmord, denkt man, selbstverständlich, doch dann fliegt das Auto davon, in einem schönen Traum, wie am Ende von Lou Reeds "Dirty Boulevard": Ab in die Lüfte, all das Elend drunten lassen."

Thomas Kramar - Die Presse, 07. 05. 2005



Die Geschichte von Naked Lunch, benannt nach dem Roman von William S. Burroughs, kann keinesfalls als linear bezeichnet werden. Vor 13 Jahren in einem „leidlichen Kaff im benebelten Österreich, Klagenfurt, um präzise zu sein“ gegründet, war das Schicksal der Band von Hochs und Tiefs geprägt. Mit ihrem letzten Wurf „Songs for the Exhausted“ gelang ihnen jedoch endgültig der Durchbruch. Naked Lunch sind heute eine der wenigen österreichischen Bands von internationaler Ausstrahlung. Zusammen mit dem Filmemacher Thomas Woschitz, der nicht nur als Autor zahlreicher Dokus und Spielfilme („Josef-Trilogie“: „Tascheninhalt und Nasenbluten“, „Blindgänger“, „Girls and Cars“), sondern auch als Regisseur der Naked Lunch-Videos bekannt ist, wird die Band ihr neues multimediales Projekt  uraufführen. Hinter dem Titel „Sperrstunde“ verbirgt sich ein etwa einstündiges Musiktheater, bestehend aus neuen, live gespielten und gesungenen Naked Lunch Songs mit eigens dafür gedrehten Filmen und Clips von Thomas Woschitz. „Sperrstunde“ zeigt Lebenssituationen, in denen etwas zu Ende geht, doch bei aller Melancholie des Abschiednehmens implizieren sie einen Neuanfang.


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Im Haben stehen mit ‚SONGS FOR THE EXHAUSTED’ fünf Platten, im Soll ewig lange Zeit, die ungenützt zu sein scheint, wenn man mehr als dreizehn Jahre Bandgeschichte hernimmt, Brüche, und ebenso viele Selbstzerwürfnisse, Verluste von Bandmitgliedern, scheinbare Aufgaben und ein weiter, weiter weg von den Anfängen als junge Collegerock / Grungeband, wenn man sich denn als solche nennen darf ohne deren Ursprünge zu haben, sondern aus einem leidlichen Kaff im benebelten Österreich herkommt, Klagenfurt um präzise zu sein, einem Thomas Berhardschen Jammertal, von wo aus man die Welt zu erstürmen erhoffte und auch dort war in der Welt, ohne aber irgendetwas erstürmt zu haben, sondern vielmehr immer wieder kleine und große Dinge falsch machte und auf dem Weg stetig zu scheitern drohte und dies auch tat, ohne jedoch den Mut zu verlieren ständig sich wieder aufzurichten, weil im Hinterkopf sich auch vieles eingenistet hatte, woran man immer wieder gerne dachte, wie das 91er Debüt ‚NAKED’, mit welchen man bei Big Store Records Unterschlupf fand, sofort nach Abgabe der Demos und dann tourte mit großen verdienstvollen Männern wie den leider vergessenen Speedniggs, dem dicken Tad aus Seattle, Screaming Trees und wie sie doch alle hießen und gleich darauf die platte ‚BALSAM’ nachschob mit der man beinahe mit Nirvana getourt hätte, die dann aber heller als die sonne wurden und nichts damit zu tun hatten, daß sich die Band Jahre der Auszeit nahm um nicht stillzustehen, weil man schon nach zwei Jahren des ständigen Spielens müde war, nicht aber des musikmachens, und dann so ziemlich jede Majorfirma die Band unter Vertrag nehmen wollte nachdem man sie mit den damals noch guten Therapy gehört hatte und die band dann nach New York geflogen wurde um dort wahnwitzige Showcases vor fetten amerikanischen Plattenmultis zu spielen, in Stretchlimousinen herumkutschiert wurde, in Sao Paolo Equipment zertrümmerte und dort ein reichlich snobistisches Angebervideo drehte, die nächste Platte, die dann 97 auf Mercury erscheinen sollte, sowohl in San Francisco, New York als auch Weilheim aufnahm, sich mit Namen wie Roli Rosimann und Alain Moulder schmückte, in London verhaftet wurde und den Wohnsitz eben dorthin verlegte und wahre Hohepriester des dümmlichen Gottes Rock’n’Roll wurde, musikalisch aber mehr den poppigen Briten zugeneigt war, was man auf ‚SUPERSTARDOM’ auch hören und damit verbunden auch in formatgerechten Videos und Fotos sehen konnte, etwas worauf man heute so stolz nicht mehr ist, war nun mal aber so, sich dann aber wieder besinnte und ‚LOVE JUNKIES’ aufnahm, ein erster versuch in eine andere Richtung mit zusätzlichem vierten Mann an den Tasten und der Elektronik weg vom sich ständig wiederholenden Dreimann – Kraft - Gitarrengehabe, wo es nichts mehr zu beweisen galt, außer immer weiter zu tun, immer weiter, mit jenen, denen man immer trauen konnte, Olaf Opal etwa, dem Meister selbst, immer schon mehr als nur Produzent der Band und deshalb seit neuestem auch festes Bandmitglied, was er sich über die Jahre hart erarbeiten musste, und mit neuem Selbstbewusstsein dann die Trennung von der Plattenfirma, ein zweiter Versuch mit derselben Platte auf einem anderem Label, und ein zweites Scheitern, dann die Trümmer vor sich zu haben und zu realisieren, nach zehn Jahren Band wieder am Anfang zu sein, ohne Firma, ohne Management, ohne Agentur, ohne alles, und das erneute sammeln im hauseigenen Studio im Jammertal Klagenfurt begann und die mühsame Produktion von ‚SONGS FOR THE EXHAUSTED’, die insgesamt ein Jahr dauern sollte und von allen beteiligten alle Kräfte erforderte und wieder Verluste, aber auch ein neuer Schlagzeuger, ein guter und viele andere gute Kräfte und nach Abschluss der Produktion wieder das lange zähe warten, mehr als zwölf Monate lang warten, weil keiner die Platte machen  wollte, weil keiner auch nur mehr einen Pfifferling auf die Band setzte, weil sie doch am Ende war, die Band. So hieß es. Immer verzweifelt, nie entmutigt. NAKED LUNCH


Über SONGS FOR THE EXHAUSTED in mehreren Sätzen:


“a young boy took himself too serious - he took a gun and aimed at god / god himself was so frustrated / that was all he can take”

So fängt das neue Album von NAKED LUNCH an, SONGS FOR THE EXHAUSTED, mit „GOD“ – und so fangen nur spezielle Alben an, so heißen nur besondere Lieder. Besonders sind sie, alle 10 SONGS FOR THE EXHAUSTED. Zurücklehnen, den Titel im Kopf zergehen lassen, vielleicht ein bisschen in die Zunge beißen – nicht zu fest! - der Geschmack von Blut im Mund ist kein Fehler beim Hören dieser Musik. Genau, Herzblut wäre ideal.

“i feel like the first man on the sun / i need to burn down for everyone”

NAKED LUNCH gehen aufs Ganze. Die Unterseiten, die himmel- und hölleschreiende Melancholie, der Schmerz, der immer schon da war in ihren Stücken, in ihren Geschichten von der „disco sadness“, der die „love junkies“ nicht entkommen können, nicht in der Glitzerblase der Popwelt, nicht mit noch so vielen Drogen, nicht mit noch so viel Alkohol, sind der Ausgangspunkt dieser neuen Lieder.

Es sind Dinge, die wehtun – „so cruel and lonesome“ - die diese Lieder durchziehen, ihre Wände ausmalen, nicht immer in schillernden Farben, aber auch nicht grau in grau. Schwere Dinge, (fast) endgültige, die diesem Material seinen langen Atem geben, eine ungeheure Substanz. „Lost it all?” Eben.

Das sind aber auch Stücke, die uns mit einer Melodie, einer Gesangslinie, einem gebrochenen Beat den Unterschied zwischen „bittersüß“ als etwas Schönes, Erhabenes und verlogener „Süßlichkeit“, mit vorgegaukelten „Gefühlen“ vollgesoffenem Pathos deutlich machen. Dieser Unterschied hat etwas mit dem Begreifen und Verarbeiten bitterer Erfahrungen – „the partys over – we’ve been an army now i’m one“ - an denen man aber eben nicht zerbricht, zu tun. Daraus resultiert eine gewachsene Musik, die auch denen („King George“) ein Denkmal setzen kann, denen es nicht gelingt, ihre Dämonen zu bändigen.

“that’s the deal, baby (love is all you need)”

Der Schriftsteller William S. Burroughs, der mit seinem epochalen Roman „Naked Lunch“ dieser Band vor über einem Jahrzehnt ihren Namen lieferte, meinte, „Liebe ist das natürlichste schmerzstillende Mittel der Welt.“

Und auch davon handeln die „neuen“ NAKED LUNCH und ihre meisterlichen SONGS FOR THE EXHAUSTED, nicht nur im wunderschönen „stay“ – stay here – let your love come over“ – oder
„the deal“. Es ist keine losbretternde, alles niederwalzende, today-your-love-tomorrow-the-world Liebe (mehr) – “we frenchkissed for a while – then she left through the doorway”. Es geht um gewachsene, oft widersprüchliche Emotionen, in deren Herzschlägen der ganze Wahnsinn – „the drama never stops – as you know“  - unserer Welten mitschwingt, Verlust, Trennung, Tod, Einsamkeit, Betrug, der ewige Kater und die darum umso heller strahlen, durch diese über Jahre gewachsenen SONGS FOR THE EXHAUSTED.

“hush now and dry your eyes
you got to believe when i say
we’re safe from harm”










3SAT
Aus Österreich kommen nur selten ernstzunehmende Mitspieler im Reigen der internationalen Popmusik. Eine der wenigen  ist seit mehr als zehn Jahren Naked Lunch aus dem Provinzstädtchen Klagenfurt in Kärnten.

Spätestens als Naked Lunch nach ausgiebigen Tourneen in Europa Mitte der 90er Jahre in London einen Plattenvertrag mit Polygram unterzeichneten, war der Sprung vom Underground auf das internationale Pop-Parkett geschafft. Allerdings: Der Anspruch auf künstlerische Wahrhaftigkeit und kreative Freiheit war der Band stets wichtiger als eine steile Karriere. Losgelöst von der Plattenfirma und frei von PR- und Imagezwängen der Musikindustrie haben Naked Lunch mit "Loss" nun ihr  viertes Album eingespielt, das sie allerdings erst nach dem Fertigstellen den großen Plattenlabels anbieten wollen.

Das Vitrino am Stadtrand von Klagenfurt, früher Munitionslager, später Jugendklub: Nun sind auch die Tage des Tonstudios von Naked Lunch -Bassist Herwig Zamernik gezählt. Doch bevor hier alles dichtgemacht wird, will die Band wenigstens die Aufnahmen für das neue Album "Loss"  abschließen. Sieben Monate lang haben Naked Lunch im Fuzz-Room 16 Songs eingespielt, zehn davon werden es auf die neue CD schaffen. Es sind Lieder voller Melancholie und Traurigkeit, aber auch Zorn, Lieder über Verlustängste voll rauer Poesie.

Hin zum Experimentellen

"Die Richtung ist eine experimentellere geworden", sagt Oliver Welter, Songwriter, Sänger und Gitarrist von Naked Lunch . "Wir haben jahrelang in klassischen Rock- und Pop-Schemata gedacht, was für uns sehr gut war, da wir unsere Wurzeln im Punkrock haben. Mit diversen musikalischen Einflüssen entfernt man sich immer weiter davon, die Basis aber bleibt die gleiche." Mittlerweile hat sich die Herangehensweise verändert: "Wir proben die Stücke nicht mehr wie früher mit der Band ein, sondern arrangieren zusammen am Rechner, nutzen die Möglichkeiten der neuen Technologien."


"Loss"  markiert für die dreiköpfige Band um Oliver Welter den endgültigen Wandel vom Punkrock der frühen Jahre zum experimentellen Pop. Seit sich die Band von ihrer Plattenfirma losgesagt hat, ist auch der ständige Zeitdruck im Studio weggefallen. Das hat zu neuen, experimentelleren Arbeitsweisen geführt. "Als erstes ist da ganz klar der Song, den macht Oliver, und dann setzen wir uns meistens zusammen und überlegen, wo man den Song hintreiben kann", sagt Herwig Zamernik, Bassist und Sänger, "dann macht eigentlich jeder, was ihm einfällt, oft auch unter großer Kritik der anderen, aber so arbeitet man sich ganz einfach vor."

Keine kreativen Kompromisse


"'Love Junkies" haben wir im klassischen Bandgefüge aufgenommen, also die Stücke erst im Proberaum erprobt und dann im Studio aufgenommen", sagt Stefan Deisenberger, Keyborder und Saxophonist. "Jetzt arrangieren wir alles gemeinsam, wobei wir meist von akustischer Gitarre und Gesang ausgehen." Begonnen hat alles vor zwölf Jahren mit Demo-Aufnahmen, durch die ein deutsches Plattenlabel auf die Band aus der österreichischen Provinz aufmerksam wurde. 1992 wird die erste Mini-LP " Naked " veröffentlicht. Konsequent folgt Platte auf Platte, Tourneen durch Clubs in ganz Europa machen die Band international bekannt. 1995 drehen " Naked Lunch "  nach mehreren Konzerten in Brasilien in Sao Paolo auch gleich das Video zu dem Song "Obsession".

In England, wo Radiostationen längst auf die Band vom Kontinent aufmerksam geworden sind, erfolgt der große Durchbruch, als der Plattenriese Mercury Naked Lunch unter Vertrag nimmt. Das neue Album "Superstardom"  wird unter anderem in San Fransisco und New York eingespielt. Doch der Erfolg hat auch seine Kehrseite - die Kluft zwischen dem neuen Image und dem künstlerischen Selbstverständnis der Band wird immer größer. Und auf kreative Kompromisse will sich niemand in der Band einlassen.

Vom Studio auf die Bühne

Nach dem letzten Album "Love Junkies" , hat sich die Band zweieinhalb Jahre Zeit gelassen, bevor sie wieder ins Studio gegangen ist. Jetzt, wo alle Songs eingespielt sind, stellt sich die Frage nach der Live-Umsetzung auf der Bühne. "Live schaut das Ganze wahrscheinlich ganz anders aus, weil wir da viel energetischer sind und eventuell gar keine Lust haben, das traurige Album eins zu eins rüberzubringen", meint Oliver Welter. "Die Erwartungshaltung sowohl vom Publikum als auch von uns ist live eine ganz andere. Da geht es fast immer um Energie, wie auch immer die geartet ist. Ich glaube, das Reproduzieren von technischen Finessen und Raffinessen, die auf Studioalben zu hören sind, also das Live-Reproduzieren ist eine sehr langweilige Herangehensweise."

Die oft manieristischen Arrangements und die aufwendige Instrumentierung vieler Lieder machen eine exakte Live-Umsetzung des von Olaf Opal produzierten Albums  ohnehin unmöglich. Harte Arbeit im Probenraum ist vorprogrammiert, bevor " Naked Lunch "  im nächsten Jahr wieder auf Tournee gehen. Zunächst aber wird "Loss" in Düsseldorf fertig gemischt und dann interessierten Plattenfirmen angeboten.



LAUT.DE-BIOGRAFIE
Naked Lunch

Klagenfurt, 1990. FM4 gibt es noch nicht, und wer Lust auf Musik abseits des Mainstream hat, muss selbst zum Instrument greifen. Wie Gitarrist Oliver Welter, Schlagzeuger Peter Hornbogner und der Bassist Georg Timber-Trattning, die eine Band gründen und sie nach einem Roman von William S. Burroughs benennen: Naked Lunch.
Im gleichen Jahr steigt Trattning aus, um sich seiner schriftstellerischen Karriere zu widmen. Er wird durch Herwig Zamernik vom Disharmonic Orchestra ersetzt. Zamernek und Welter bilden seitdem den Kern der Band.
Der Erfolg kommt schnell. Noch im Gründungsjahr werden Demos verschickt und ein Plattenvertrag unterschrieben. Gleich darauf die erste Platte ("Naked") aufgenommen und eine gut besuchte Tour, u.a. mit den Speedniggs und den Screaming Trees, angehängt. Nach einer kurzen Pause geht es direkt wieder ins Studio, "Balsam" erscheint 1992. Die einheimischen Plattenfirmen zögern, doch die Konkurrenz aus England zeigt sich extrem interessiert an den Österreichern.
Es dauert eine Weile, bis es mit Naked Lunch weiter geht, man ist des Live-Spielens müde und möchte lieber nur Musik machen. 1995 wird die Band nach New York eingeflogen, spielt Showcases vor Vertretern der richtig großen Plattenfirmen. Leider viel zu brav, man winkt dankend ab.
1997 endlich nimmt Polygram die Band unter Vertrag. "Superstardom" wird in New York, San Francisco und Weilheim aufgenommen, Naked Lunch sollen den ganz großen Durchbruch schaffen. Alain Moulder (Smashing Pumpkins, U2) steht am Mischer, teure Videos werden produziert, die Band tourt weltweit, verwüstet in Brasilien die Bühne und wird in London - ihrem zwischenzeitlichen Wohnsitz - festgenommen.
Das führt 1999 einerseits zum bislang größten Erfolg, doch bald ist es wieder Zeit für einen Tiefpunkt. Naked Lunch gehen mehr in Richtung Elektronik, Olaf Opal von The Notwist unterstützt die Band an den Tasten. Die Single "Love Junkies" wird ein kleiner Hit, doch das Album verkauft sich kaum. Also trennt man sich von der Plattenfirma und versucht es mit demselben Album bei einer anderen.
Doch die Platte floppt auch hier. Das Ergebnis: Naked Lunch stehen ohne Plattenvertrag, ohne Management und ohne Agentur da. Nach zehn Jahren Bandgeschichte sind sie wieder genau so weit wie am Anfang. Wieder in Klagenfurt, mit ungewisser Zukunft.
Nach diesen katastrophalen Ereignissen nimmt sich die Band erneut eine Auszeit. Oliver Welte bezeichnet diese Zeit als die schlimmste seines Leben. Im Jahr 2000 stirbt der ehemalige Bandkollege und Freund Trattning infolge seiner Alkoholkrankheit.
Es dauert lange, bis die Scherben gekittet sind. Im neuen Jahrtausend beginnt man irgendwann damit, eine neue Platte aufzunehmen. Es geht nur mühsam voran, die Aufnahmen zu "Songs For The Exhausted" ziehen sich ein Jahr lang hin, und es dauert noch mal mehr als ein Jahr, bis sich eine Plattenfirma findet, die noch einmal auf Naked Lunch setzt.
Anstatt der klassischen Gitarrenmusik widmet sich der Vierer erneut der reduzierten Elektronik, sanften Beats und fließenden Harmonien. Wieder ist Olaf Opal mit an Bord. Naked Lunch stehen auf den Trümmern ihrer Karriere. "Songs For The Exhausted" ist ein tieftrauriges Werk, das sich thematisch mit dem Scheitern und der Verzweiflung auseinandersetzt.
Aufgenommen werden die Songs im Fuzzroom, dem kleinen Studio von Bassist Herwig Zamernik, der sich mehr und mehr zu einem gefragten Produzenten mausert. Anfang 2006 wagt er sich als "Fuzzman" schließlich mit eigenen Songs an die Öffentlichkeit. Mit dem gleichnamig betiteltem Debütalbum zwischen schrägem Lo-Fi und elektrifiziertem Indie-Rock landet er einen Überraschungserfolg und tritt als Songwriter aus dem Schatten von Oliver Welte heraus. Dieser findet dafür endlich sein privates Glück und wird Vater.
Seine Qualitäten als Songwriter, Arrangeur und Produzent stellt Herwig Ende 2008 mit seinem zweiten Soloalbum "Fuzzman2" (Wohnzimmer Records) erneut eindringlich unter Beweis.
Nachdem "Songs For The Exhausted" vollendet ist, haben Naked Lunch Schwierigkeiten, eine Plattenfirma zu finden, da das Werk als zu schwermütig und unkommerziell eingestuft wird. Schließlich bietet ihnen Motor Music einen Vertrag an. "Songs For The Exhausted" wird von der Musikpresse wohlwollend aufgenommen und verkauft sich auch erstaunlich gut. 2005 kommt die EP "Stay". Naked Lunch wirken mit ihrem Sound außerdem beim Film "Sperrstunde" mit, ein Projekt des Filmemachers Thomas Woschitz.
Auf dem sechsten Longplayer "This Atom Heart Of Ours", der im Januar 2007 über das Berliner Label Louisville auf den Markt kommt, nimmt der neu entdeckte innere Frieden einen breiten Raum ein. Die Verzweiflung ist einer vorsichtig optimistischen Grundstimmung gewichen.
Die Songs nehmen sich spürbar zurück und wirken zuerst weniger kraftvoll als die geballte Wucht der Verzweiflung auf "Songs Of The Exhausted". Bald entpuppt sich die Platte aber aufgrund der feinfühligen Melodik, den musikalischen Arrangements und der brüchige Stimme Weltes als ergreifendes Meisterwerk, auf das auch die Musikpresse euphorisch reagiert.