treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

GUNKL: SO UND ANDERS. EINE ABENDFÜLLENDE ABSCHWEIFUNG.

Gunkl ist der „Philosoph unter den Kabarettisten“, ein „Gehirnakrobat“ in dessen Bann das Publikum die Lust am Denken in vollen Zügen genießt. Künstler und Besucher verlieren sich förmlich in einer Gedankenwelt, in der alles erlaubt ist, was Gunkl nicht verboten hat. Der passionierte Bühnenmensch ist Vielspieler im gesamten deutschsprachigen Raum, er beeindruckt durch minimalistische Ästhetik, und ist, so ganz nebenbei, auch ein großartiger Musiker.

Gunkl: So und anders – eine abendfüllende Abschweifung
Augen zusammengekniffen, Ohren gespitzt, Hirn eingeschalten, Gunkl kommt. Der Kabarettist denkt gerne Sachen bis zu ihren Ursprüngen durch und lässt sein Publikum an diesem Prozess teilhaben. Das ist anstrengend, tut in Zeiten der großen Gereiztheit und der Verschwörungstheorien aber wahnsinnig gut. Beim aktuellen Programm raucht der Kopf noch etwas mehr als in vergangenen Programmen. Dafür kommen auch sich paarende Affen vor.

Es gibt verschiedene Arten von Unterschieden; es gibt quantitative und qualitative Unterschiede. Bei quantitativen Unterschieden geht es um „Mehr oder Weniger“, und bei qualitativen Unterschieden geht es gleich einmal um „Anders“. Und der Unterschied zwischen diesen Unterschieden ist qualitativ. Also 1:0 für qualitative Unterschiede. Aber qualitative Unterschiede werden oft einmal quantitativ hergestellt; da wird etwas solange mehr, bis es nicht nur mehr ist sondern grundsätzlich anders. Also 1:1.
Ob man das als einen Hinweis für Gerechtigkeit im Universum sieht oder nicht, hängt vermutlich davon ab, wie oft man schon Gerechtigkeit dringend gebraucht hat.
(...) Er spricht nicht einfach Sätze, sondern komponiert sie. Wortgirlanden, die sich an logische Ketten schmiegen, oft unglaublich verschachtelt, münden sie in ein präzises Resultat. (...)

PREMIERENKRITIK

Das Gefühl kennt man aus der Schulzeit. Vorne steht einer, der unheimlich gescheit daherredet, der Wissensvermittlung mit Fremdworten und Schachtelsätzen betreibt, und man weiß: Jetzt sollte man sich eigentlich konzentrieren, sonst verpasst man möglicherweise was. Stattdessen wird man immer müder. Dieses Gefühl konnte man bei der gestrigen Premiere von Gunkls "So und anders" wiederentdecken.
Seit mehr als 20 Jahren ist der Musiker Günther Paal als Gunkl mit seinen Soloprogrammen unterwegs, mit seinen geschliffen formulierten und schnell gesprochenen anspruchsvollen Gedankengängen die grauen Zellen des Publikums in Schwung zu bringen. Dafür wurde er mit dem Österreichischen Kabarettpreis 2018 ausgezeichnet. Der "Spezialist für eh alles" erkunde "zwischen Philosophie, Soziologie und Physik das Prozesshafte unseres Daseins", hieß es damals in der Jurybegründung.

Auch in seiner neuen "abendfüllenden Abschweifung" geht es um Biologie und Sozialpsychologie, Physik und Mathematik, vorgetragen von einem ebenso Wissenden wie Zweifelnden, der angetackert in der Mitte der Bühne steht und sich von dort nicht mehr wegbewegt, während er gedanklich den Boden unter den Füßen verliert. Überraschende Hüftschwünge und kontinuierliche Gestik sind die einzigen Bewegungen, die sich Gunkl erlaubt - vom gelegentlichen Atemholen abgesehen.

Gunkl setzt auf fächerübergreifenden Frontalunterricht, schert sich dabei keinen Deut um Aktualitäten, Pointen oder Bezugspunkte zur derzeitigen Lebensrealität seines Publikums und scheut sich auch nicht davor, eine kleine Hausübung in die Pause mitzugeben. Man möge sich einen außerhalb des unendlichen Raumes gelegenen Punkt denken. Viel Spaß dabei! Geht gar nicht, verrät er nach der Pause: Schon Punkt, Linie und Fläche vermag man sich ohne räumlichen Bezug nicht vorzustellen...
"Wenn der Herbst eine Frau wäre, würde er Paul heißen und nach Brot riechen." Mit diesem Satz hatte Gunkl sein zwölftes Soloprogramm "Zwischen Ist und Soll" begonnen, bei dem er ein persönliches Outing einbaute: Er habe Aspergersyndrom, doch man brauche keine Angst zu haben: "Ich leide nicht darunter. Das tun andere." Sein dreizehntes Programm beginnt mit "Man sollte ab und zu einen Briefträger verprügeln" und leitet sogleich nicht nur eine mit sich selbst geführte Diskussion ein, ob das ein guter Beginn für ein Kabarettprogramm sei, sondern auch darüber, wie sich das mit der Verquickung von Botschaft und Bote so entwickelt hat im Laufe der Zeit.

Von dort wandern Gunkls Gedanken zu Pavianen, zu Kulturleistungen wie Planen, Lernen oder Sprechen ("Ich finde Sprache toll: Man hat was im Mund und wird davon trotzdem nicht dick."). Ausführlich argumentiert er, warum er die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz für gefährlich hält, und empfiehlt für die Bewältigung des Lebens mehr Zweifel der Vermutung als Mut der Verzweiflung. Am Ende der zweimal 45 Minuten bekommt man vom Vortragenden noch mitgegeben, dass Distanz nicht die schlechteste aller menschlichen Errungenschaften sei. So gesehen kann "So und anders" auch als Plädoyer für Distance Learning verstanden werden. Mit "Escape"-Button.

X