treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

MATTEO HAITZMANN: THOSE WE LOST. A ViSUAL CONCERT

THOSE WE LOST  --  A visual concert

In Zeiten globaler Epidemien kommt es immer wieder zu Stigmatisierung bestimmter Gesellschaftsgruppen. Einseitige Berichterstattung und Stimmungsmache nähren Hass, Ausgrenzung und Vorurteile gegenüber der „Anderen“. Inspiriert von Gideon Mendels Fotoband the ward beschäftigt sich Haitzmann in THOSE WE LOST mit den Überlebensstrategien der LGBT-Bewegung in den 80er und 90er Jahren angesichts der damals um sich greifenden AIDS-Krise.​
Ausgehend von der Frage, wie Mut und Zusammenhalt einer vergangenen Bewegung noch heute Impulse im Kampf um gesellschaftliche Gerechtigkeit geben können, zollt dieses performative Solokonzert den Toten Tribut und sucht gleichzeitig nach Inspiration für die Lebenden. Dabei treten Video- und Audioaufnahmen aus der damaligen Zeit in Dialog mit neuen Kompositionen, die dem Ringen um Stolz und Würde in Krisenzeiten eine heutige Stimme geben.
THOSE WE LOST ist gleichzeitig Verbeugung und Kampfansage, ebenso sehr Danksagung wie Aufschrei.​

Matteo Haitzmann ::  Violine, Oktav-Violine, Gesang, Konzept, Komposition
Lukas Froschauer :: Tontechnik

MATTEO HAITZMANN: PORTRAIT IM "FALTER"

Politischer Pop mit Streichquartett
Der österreichische Geiger und Performer Matteo Haitzmann beeindruckt mit seinem Artpop-Solodebüt
GERHARD STÖGER FEUILLETON, FALTER 18/22 VOM 04.05.2022

Matteo Haitzmann scheint ein höflicher Mensch zu sein. Entsprechend peinlich ist dem längst in Wien heimischen Salzburger Musiker, dass er auf den Interviewtermin vergessen hat. Mit dem Rad kommt er angehetzt, seine Entschuldigung zählt aber: Er packt gerade für einen Umzug nach Berlin, an der dortigen Universität der Künste will der 31-Jährige seinen Master im Fach "Solo/Dance/Authorship" machen.

Tanz? Ja, stimmt schon. Haitzmann spielt als studierter Jazz- und Barockgeiger zwar in diversen Ensembles, dem 13-köpfigen Jazz-Flohzirkus Little Rosies Kindergarten etwa oder dem Quintett Alma, das sich traditioneller österreichischer Musik zeitgenössisch nähert. Aber er pflegt noch ein anderes Ausdrucksmittel: Performance und Tanz.
Sein nun als aufwändig gestaltete CD vorliegendes erstes Soloprogramm "Those We Lost" eint beide künstlerischen Bereiche. Inspiriert durch einen Bildband, würdigt Haitzmann in ausschließlich mit Streichern unterlegten und bei aller Zurückhaltung doch eindringlichen englischsprachigen Balladen Aids-Aktivistinnen und -Aktivisten der 1980er und 1990er, die einst gegen Ignoranz, Vorurteile und die Stigmatisierung als "Homosexuellenseuche" kämpften; für medizinische Versorgung, Aufklärung und Identitätsstiftung.

Als schwuler Mann und politisch interessierter Menschen versteht er diese in kunstvollen Pop verpackte Danksagung und Erinnerung keineswegs rein historisch. Der Musiker möchte daraus auch Inspiration für gegenwärtigen Aktivismus ziehen - und liefern.
"Dass sich die Kunst aus der Politik heraushält, geht für mich in bewegten Zeiten nicht", sagt Haitzmann, der zur Thematik von "Those We Lost" auch einen Workshop für Schulen anbietet. "Ich möchte mich nicht hinter dem Ansatz verstecken, dass Musik eine universelle Sprache sei, ich will mich möglichst konkret positionieren. Natürlich muss nicht jede Musik, die man konsumiert, politisch aufgeladen sein. Auch ich liebe es, einfach einmal ein Tanzkonzert zu spielen, bei dem alle ausgelassen feiern und für den Moment die Welt um sich vergessen. Aber ich wünsche mir, dass kunstschaffende Personen klar Stellung beziehen."
Zuletzt arbeitete der Geiger intensiv daran, ein erweitertes Konzertformat zu finden, um seine Botschaft möglichst genau und doch ästhetisch anspruchsvoll zu vermitteln. Auf der Bühne wird "Those We Lost" nun zu einer sinnlichen Multimediashow mit Projektionen, Filmeinspielungen und Licht respektive Dunkelheit als wichtiges Element.
Welches Genre-Mascherl er seiner ersten Soloarbeit verpassen soll, weiß Haitzmann nicht so recht, von Pop hat er kaum eine Ahnung. John Cale, klassisch geschulter Viola-Meister aus Wales mit Artpop-Faible? Nie gehört. Dafür schwärmt er mit ansteckender Begeisterung davon, wie abgefahren Renaissancemusik sei, die er als Hörer bevorzugt konsumiert: "Ich würde gern stärker in den Pop hineinfinden, aber letztlich fehlt mir da doch oft die Originalität."
Die eigene Politisierung habe stark mit seiner Sexualität zu tun, erklärt der Musiker und Performer. Selbstverständlich sei auch 2022 nichts, noch nicht einmal in einer Stadt wie Wien. "Schlendere ich mit meinem Freund Hand in Hand die Straße entlang, geht ein Teil von mir immer davon aus, dass ein blöder Kommentar fällt - und das passiert auch regelmäßig", sagt Haitzmann. Dass er schwul ist, war ihm früh klar, Rolemodels aber fehlten im Salzburger Heimatdorf. "Ich war meine ganze Kindheit lang beim Trachtenverein, Schuhplatteln und so weiter also", erzählt er. "Seit ich zwölf war, lautete die große Frage der vier Dörfer im Umkreis dann: Ist der Matteo jetzt schwul oder nicht? Ich war halt auch leicht lesbar: Fußball hat mich nicht interessiert, die Geige dafür umso mehr."
Haitzmann ging mit 19 in die Stadt, studierte an der Linzer Bruckner-Uni und an der Akademie der bildenden Künste Wien; er modelte und arbeitete mit dem Choreografen Simon Mayer. Den Lebensunterhalt bestreitet er seit frühen Studientagen mit Musik, durchaus auch einmal im Bierzelt - das er, Feingeist hin oder her, privat nach wie vor gern besucht: "Die Runde muss halt passen."
Seinen vorläufigen Abschied aus Wien feierte Haitzmann dann auch mit einem fidelen Stammtisch: "Es wurde ausschließlich Volksmusik gespielt, den ganzen Abend getanzt - und selbst meine Freunde von der Bildenden haben es geliebt."

MATTEO HAITZMANN - ViTA

Geboren und aufgewachsen in Unken (Salzburg Land) spielten Volksmusik und Brauchtum von Anfang an eine große Rolle in seinem Leben. Zuerst passiv, später, als die Geige in sein Leben trat, aktiv. Sowohl musizierend als auch tanzend. Nach dem dörflichen Leben, das alles beinhaltete, was man sich so vorstellt (Trachtenverein, Schuhplatteln, Bierzelte usw.), folgte die Landflucht.
Seit 2009 lebt Haitzmann in Wien, studiert Jazz Geige an der Anton-Bruckner-Privatuniversität-Linz bei Andreas Schreiber, Barock Geige bei Michi Gaigg, und Performance Kunst bei Carola Dertnig an der Akademie für Bildende Kunst Wien.
Weiters ist er Gründungsmitglied des Ensemble ALMA (www.almamusik.at) und dem Improvisation Kollektivs Little Rosies Kindergarden, wirkte bei Produktionen von Anna Mendelssohn und Ursula Reisenberger mit und steht momentan u.a. mit Simon Mayer für das Stück „Sons of Sissy“ auf der Bühne.

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