treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

FRANZ HOHLER: DER SCHWEIZER KABARETTIST SPAZIERT DURCH SEIN GESAMTWERK

In seinen Geschichten löst sich die Wirklichkeit unmerklich auf und macht Ereignissen Platz, die sich unserer kühlen Logik entziehen. Mit ungewöhnlich wachem Blick für beunruhigende Details erzählt Franz Hohler von der Brüchigkeit und der Tragikomik unseres Alltags, aber auch von seiner Poesie.
Hohler liest bekannte Perlen wie «Made in Hongkong», «Der Pressluftbohrer und das Ei», «Der Dienstverweigerer» oder «sTotemügerli». Er überrascht aber auch mit einem Gedicht, das er als 9-Jähriger geschrieben hat oder liest zum ersten Mal aus seinem Buch «Immer höher».
Zwei «Spasspartouts» mit einem hintergründigen Kritiker; ein ebenso fröhlicher wie nachdenklicher Spaziergang durch unsere Zeit und durch das unglaublich vielseitige Gesamtwerk des politischen, sozialkritischen, humorvollen, absurden, gwundrigen und genau beobachtenden Franz Hohler.

„Wenn ich für Kinder schreibe, ziehe ich keine Latzhose an“

Der Schweizer Kabarettist und Autor Franz Hohler begann bereits Ende der 70er-Jahre nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder zu texten. Wenn er für Kinder schreibe, vermeide er Fremdwörter. Aber auf „niedliche Verschen für die beschränkten Kleinen“ habe er aber keine Lust, sagte Hohler Ute Wegmann im Deutschlandfunk anläßlich seines 75.Geburtstages 


Ute Wegmann: Wer ihn nicht gleich erkannt haben sollte, mein Gast kommt aus der Schweiz: Ich begrüße ganz herzlich Franz Hohler, Kabarettist, Schriftsteller, Dichter, Erzähler für junge Menschen, Erzähler für alle Menschen. 
Am 1. März 1943 in Biel geboren, in Olten aufgewachsen, in Aarau Abitur gemacht, in Zürich Germanistik und Romanistik studiert, wenn auch nicht bis zum bitteren Ende – wie viel Welt hatten Sie da schon kennengelernt, dass Sie so jung Kabarettist werden wollten?
Hohler: Eigentlich hab ich noch nicht viel Welt kennengelernt. Der Entschluss, von der Uni wegzugehen, war damit verbunden, mehr Welt kennenzulernen. Ich bin als Sohn eines Lehrerehepaares aufgewachsen, das starke kulturelle Interessen hatte, mein Vater war sehr literarisch interessiert, hat Theater gespielt. Als kleiner Knirps durfte ich mit auf die Bühne, in der Dramatischen Gesellschaft Olten, wo ich den Sohn des Tapferen Schneiderleins spielte. Mein Vater war das Tapfere Schneiderlein. Ich bin soweit normal aufgewachsen, es gab keine größeren Reisen. Und ich hatte an der Uni das Gefühl, ich müsse zu viele Dinge machen, die ich nicht wollte. Ich hatte immer den Wunsch, etwas Eigenes zu machen und damit in die Welt hinauszugehen.

[YT https://www.youtube.com/watch?v=VZb0vHSTuT8

Wegmann: Sie haben viele Preise gewonnen, allein 14 Soloprogramme auf der Kabarettbühne bestritten, viele Erfolge verbucht, in den unterschiedlichen Sparten, aber einmal in Ihrem Leben waren Sie dienstuntauglich: Sie mussten nicht zum Militär. War das ein Geschenk?
Hohler: Für mich schon. Wenn man bei der Aushebung das Formular ausfüllen musste, konnte man angeben, zu welcher Waffengattung man gerne gehen würde. Ich war nicht soweit, dass ich den Dienst verweigert hätte, aber ich hab mich zur Sanität gemeldet, obwohl ich etwas Schwierigkeiten habe, Blut zu sehen. Aber ich hatte als Kind eine schwere Krankheit, deren Ursprung nie wirklich geklärt wurde, und ich bekam ein Zeugnis von den Ärzten, die mich im Kinderspital behandelt hatten: Es sei wohl vorsichtiger, mich nicht in Kontakt mit Gewehr, Fett und anderen militärischen Substanzen zu bringen, sonst könnte ich ein schwerer Fall für die Militärversicherung werden. Das war das Geschenk an mich. Ja!
Das Jahr 1968 und das Wahlrecht der Frauen
Wegmann: Nun habe ich gesagt, Sie sind 1943 geboren. Die 1960er-Jahre, speziell 1968, das sich dieses Jahr zum 50. Mal jährt, die Auflehnung gegen das Schweigen über die Nazi-Vergangenheit, die Auflehnung gegen altbackene Lerninhalte an Universitäten, gegen den Vietnam-Krieg und die atomare Aufrüstung – alles das war in Deutschland ein großes Thema, wie haben Sie die Zeit der Studentenrevolte in der Schweiz erlebt?
Hohler: Das hat ja alles auch auf die Schweiz übergegriffen. Ich glaube, das war eine Bewegung, das war eine Welle der Globalisierung. Auch in Frankreich ab es starke Proteste. Immer aus unterschiedlichen Motiven, aber der gemeinsame Nenner war, das Unbehagen, an dem was war, damals. Also in der Schweiz lebte man immer noch in den Zeiten der sogenannten geistigen Landesverteidigung mit einem sehr strengen Weltbild. Das Feindbild Nationalsozialismus wurde nahtlos abgelöst durch das Feindbild Kommunismus. Einer unserer bekanntesten Kabarettisten machte damals eine Reise nach China und wurde sofort bestraft durch das Streichen von Gastspielen, auch seine Radiosendung wurde gestrichen. Und nicht zu vergessen: In der Schweiz gab es kein Frauenstimmrecht, was rückblickend eine Ungeheuerlichkeit ist. Auch das ganze Eherecht. Eine Frau durfte ohne die Unterschrift des Mannes kein eigenes Bankkonto haben, oder einer beruflichen Beschäftigung nachgehen. Wenn man das heute den jungen Frauen erzählt, die glauben das kaum.



Wegmann: Ist denn der junge Franz Hohler auch auf der Straße gewesen?
Hohler: Ja, ich war auch auf der Straße – ich war mal bei einer großen Demo. Ich hab das Gefühl, die Unruhe der Jugend damals, die hat sich Motive gesucht. Es war auch damals ein großes Unverständnis in der Schweiz da, was die Schweizer Jugend zu protestieren hatte. Bei den Deutschen begriff man es noch, die haben da die alten Nazis, die überall hohe Ämter bekleiden. Aber was ist denn bei uns nicht in Ordnung? An der Bahnhofsbrücke da gab es ein Provisorium, wo das alte Warenhaus, der Globus war, weil der am originalen Ort umgebaut hat, das nannte man das Globusprovisorium, und dort, wenn der Globus an den Ursprungsort geht, sollte dort ein Jugendzentrum entstehen. Da gab es eine große Demonstration, da war ich auch dabei. Man wurde abgespritzt von den Wasserwerfern der wackeren Polizei, ich hab damals eine Rose geschwenkt und habe das Lied gesungen: „L’importance est la rose“. Die Rose wurde heftig abgespritzt, ich auch. Und der Züricher Polizeikommandant stand auf einem Balkon des Restaurant „Du Nord“ und hat uns zugerufen: Bitte löse sie sich uff, also bitte, lösen sie sich auf! Und diese Aufforderung kam mir schon damals sehr absurd vor. Es war für mich auch damals ein sprachliches Symbol für den Kontrast zwischen Alt und Jung.

Wegmann: Ich versuche, mich gerade zu erinnern, das Frauenwahlrecht ist doch erst Ende der 70er-Jahre eingeführt worden.
Hohler: Anfang der 70er, muss ich zur Ehrenrettung der Schweizer Männer sagen. 1971, aber ein Stück weit haben Sie trotzdem recht, denn das kantonale Wahlrecht wurde im Kanton Appenzell erst 1991 eingeführt.
Wegmann: Über 20 Bücher sind erschienen, mit Gedichten oder Kurzgeschichten, aber auch Romane. Zuletzt der Gedichtband „Alt?“ und der Roman „Das Päckchen“. Was reizt Sie an der kurzen Form? Was an der langen?
Hohler: Die kurze Form ist wie ein Scheinwerfer, der aus dem Halbdunkel ein Motiv hervorhebt, dieses Motiv beschreibt und alles darum herum weglässt. Das ist eine Form, die mich immer gereizt hat. Das lange Schreiben, einen Roman schreiben, bedeutet, eine größere Landschaft zu beleuchten, wenn wir bei dem Bild des Scheinwerfers bleiben. Oder man kann auch sagen: Ein Roman ist ein Park, in den man seine Leserschaft einlädt, spazieren zu gehen, zwischen diesen Büschen oder Bäumen sich auf das Bänklein zu setzen, die Aussicht zu bewundern, Menschen zu treffen, die überraschend des Weges kommen. Und die Kurzgeschichte, die würde eben nur gerade auf der Bank verweilen, wo jemand sitzt und ein anderer kommt daher und es kommt zur Begegnung. Es sind beides für mich sehr reizvolle Formen. Wenn mir ein Motiv in den Sinn kommt, überleg ich mir: Ist das ein Motiv für eine Kurzgeschichte oder ist es allenfalls ein Motiv für eine lange Geschichte. Und ich hab gar nicht so viele Motive für eine lange Geschichte.
Wegmann: Wir wissen ja um die Wichtigkeit der Überarbeitung, um die Wichtigkeit eine Sache liegen zu lassen, noch mal zu überdenken. Hat das den gleichen Arbeitsaufwand bei der kurzen und bei der langen Form. Man hat ja selten so etwas wie einen ersten Wurf. Beim Gedicht passiert das schon mal. Oder haben Sie öfter einen ersten Wurf?
Hohler: Ich hab eigentlich häufig einen ersten Wurf. 
Wegmann: Dann hab ich nichts gesagt.
Hohler: Aber wenn der erste Wurf da ist, ich druck ihn immer aus. Ich drucke jede Seite aus, auch eines Romans, dann schau ich das so lange an, bis ich jedes Wort persönlich kenne und sagen kann: So muss es sein, so möchte ich es haben, so finde ich es stimmig. Und das ist derselbe Vorgang bei einer kurzen Geschichte wie bei einem Roman.
Keine niedlichen Verschen für die armen beschränkten Kleinen
Wegmann: Schon sehr früh, Ende der 1970er-Jahre schrieben Sie Ihre erste Kindergeschichte, sie hatten sogar eine Reihe im Schweizer Kinder-Fernsehen. Es folgte die „Tschipo“-Reihe, dann Geschichtenbände wie „Der Riese und die Erdbeerkonfitüre“, „Die Spaghettifrau“, Vieles mehr und zuletzt „Es war einmal ein Igel“, Gedichte, illustriert von Katrin Schärer. Wenn ich Ihre Geschichten oder Gedichte für Kinder lese, sehe ich in Ihrer Haltung kaum einen Unterschied zu den Erwachsenengeschichten. 
Hohler: Sagen wir so: Wenn ich für Kinder schreibe, zieh ich keine Latzhose an. Sondern setz mich in der selben Kleidung hin. Das Einzige, was ich gern bedenke, dass ich sie mit dem Vokabular nicht überfordere. Wenn ich für Erwachsene schreibe, dann nehm ich keinerlei Rücksichten auf Verständlichkeit, für Kinder achte ich darauf, dass ich wenig Fremdwörter dabei habe oder so, dass ich denke, da können sie die Eltern fragen, denn ich möchte sie auch nicht unterfordern, und ich möchte auch keine niedlichen Verschen für die armen beschränkten Kleinen machen, sondern solche, die hinhauen. Das Suchen nach dem einfachen Ausdruck, der aber nicht banal oder trivial sein sollte, ist etwas Interessantes. In meiner großen Geschichtensammlung „Das große Buch“, da sind 90 Geschichten drin und mindestens ein Drittel davon habe ich ursprünglich gar nicht für Kinder geschrieben. Aber ich habe gemerkt, dass Kinder Freude daran haben. Und dann schau ich schon manchmal, ob ich sie vereinfachen könnte. Es gibt ja auch mehrere Schöpfungsgeschichten von mir.
Wegmann: In die Reihe der kurzen Form gehören auf jeden Fall die Hin- und Hergeschichten – „Aller Anfang“ der Titel – im Wechsel geschrieben mit dem wunderbaren, 2014 verstorbenen Schweizer Schriftsteller Jürg Schubiger. Wie gestaltete sich so Ihr Zusammenschreiben?
Hohler: Also wir kannten uns seit der Studienzeit, er war älter. Er fiel mir auf als einer der wenigen, die wussten, warum sie studierten. Die meisten machten das mal einfach so. Ich auch. Das ist eine Freundschaft geworden. Wir haben gegenseitig unsere Arbeit verfolgt. Er hat eigentlich studiert, um später den pädagogischen Verlag seines Vaters zu übernehmen, mit einem akademischen Abschluss, hat aber immer auch geschrieben. Wir haben uns immer unsere Geschichten vorgelesen, er hat auch meine Bühnenprogramme besucht. Und wir haben unsere Bemerkungen gemacht, jeder vertrug auch die Kritik des anderen. Und eines Tages kam die Idee, und die kam von Jürg, wir könnten doch Geschichten schreiben, die einander die Hand geben. Ich schreib eine Geschichte, und du antwortest mit einem Motiv, das du in meiner Geschichte siehst. Und ich antworte wieder mit einem Motiv aus deiner Antwortgeschichte und so soll es eine literarische Kette geben. So entstanden die Hin- und Hergeschichten. Wir haben später auch mal ein Hin-und Hörspiel gemacht. Mit der selben Methode. Und dann die Schöpfungsgeschichten „Aller Anfang“: Die Hin- und Hergeschichten waren Geschichten für Erwachsene, die Schöpfungsgeschichten für Kinder. Oder sind es immer noch.
Wegmann: Sie beide stellen die Frage nach der Entstehung der Welt. War da ein Urknall oder ein Zauberer, eine Kiste mit Erbsen oder ein Gott? Woran glaubt Franz Hohler?
Hohler: Ja, wenn Sie mich wirklich fragen. Ich bin ein Agnostiker. Ich weiß es nicht, deshalb glaube ich auch nicht. Für mich ist die Schöpfung eines der ganz großen Rätsel dieser Welt. Ich kann es mir nicht erklären. Auch wenn ich überlege, dass Gleichgewicht, dass die Natur ständig anstrebt, alle die Feinheiten der Schöpfung, dann wird mir eigentlich schwindelig.


„Eigentlich interessiere ich mich mehr für die Dinge, die ich nicht weiß“


Wegmann: Ist dieser Schwindel vielleicht der Blick, den Sie uns immer wieder durch Ihre Geschichten auf die Wirklichkeit ermöglichen. Der Blick, der immer auch schräg ist, heiter, absurd, auch mal böse?
Hohler: Eigentlich interessiere ich mich mehr für die Dinge, die ich nicht weiß, als für die Dinge die ich weiß. Ich glaube auch, Geschichten kommen mehr aus der Neugier, etwas Unbekanntes zu erforschen oder einen Aspekt zu erzählen, den man für erzählenswert hält, der vielleicht nicht gerade der gängigen Anschauung und Erfahrung entspricht. Die Erfindung, die Fantasie, die gehört durchaus zu dem Gefühl des Schwindeligwerdens.
Wegmann: Man findet viel Amüsantes und Informatives auch auf Franz Hohlers Webseite www.franzhohler.ch, einer der lustigsten Webseiten, die ich jemals gesehen habe: schwarz-weiß, minimalistische bis null Gestaltung, Passautomatendepribilder und die schlechtesten Kritiken sind dort versammelt, bis man sich dann irgendwann doch auch Positivem nähert. Wie geht Franz Hohler mit Kritik um?
Hohler: Ja, eben, in dem ich immer neugierig bin, ob es eine schlechte Kritik gibt und dann setz ich die auf die Webseite. Das ist ein Spiel mit den Kritikern und als Gegenpol zu den Webseiten, wo immer nur die besten Kritiken stehen, die werden dann irgendwann auch unglaubwürdig. Aber natürlich hat man lieber gute Kritiken als schlechte, das gilt auch für mich. Aber die Kritik, mit der ich etwas anfangen kann, die sollte nicht etwas von mir verlangen, was ich nicht kann, sondern die sollte da ansetzen was ich kann, was mein Gebiet ist. Meine Frau ist eine sehr gute Kritikerin und eben auch Kennerin, die weiß, was man von mir verlangen kann. Das ist das, was ich konstruktive Kritik nenne, die mich herausfordert. So haben auch Jürg Schubiger und ich uns kritisiert, weil jeder die Stärken und Schwächen des anderen kannte.
Wegmann: Viele berühmte Künstler haben Bilder zu Ihren Geschichten beigetragen: Katrin Schärer, Klaus Ensikat, Jacky Gleich, „Das große Buch“ von Nikolaus Heidelbach. „Aller Anfang“ von Jutta Bauer. Ist es wichtig, dass der Illustrator eine Art Seelenverwandtschaft mit Ihnen hat, Ihren Humor teilt, Ihre Weltsicht teilt? Oder was ist die Voraussetzung für eine gelungene Kooperation?
Hohler: Ich glaube schon, dass jemand, der meine Geschichten illustriert, dass der Freude daran haben muss, das gerne machen muss. Und das heißt dann eben auch, dass der/diejenige einen ähnlichen Sinn für den Humor, die Ironie hat, für das Spielerische oder für die Leichtigkeit des Textes. Eine gute Illustration illustriert ja nicht, sondern erweitert den Text noch.
„Ich öffne den Mantel gegenüber dem Weltall“
Wegmann: Ihr letzter Gedichtband heißt „Alt?“. Gedichte, die sich mit Altwerden, mit Abschied, mit Tod beschäftigen. Das titelgebende Gedicht ist sehr lang, da heißt es unter anderem: „Und wieso will der dunkle Anzug – im Kleiderschrank nicht mehr nach hinten rücken?“ Oder: „Wird die Sparlampe, die du im WC einschraubst, Brenndauer 10.000 Stunden, länger halten als du?“ – „... was gehen dich Zeiten an, die du kaum noch erleben wirst?“, dann aber der Blick der Enkelin und die Wende. Wir lernen hier einen sehr nachdenklichen, gar nicht so scharfen, schrägen, lustigen Franz Hohler kennen.
Hohler: Das ist ja auch ein Teil von mir. Auch die fröhlichen Menschen sind nicht dauernd fröhlich. Ich schreibe gern über die ganze Befindlichkeit, also „über die Schaukel des Lebens, die zwischen Lachen und Weinen schwingt“, das hat Morgenstern geschrieben.
Wegmann: Der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer sagt: „Man muss den Mantel konkreter Tätigkeit im Alter dichter um die Schultern ziehen, um bei herandringender Weltraumkälte bestehen zu können.“ Wie bereitet sich Franz Hohler auf das Alter vor?
Hohler: Ich öffne den Mantel gegenüber dem Weltall, ich möchte mich gar nicht schützen, vor dem was kommt, vor dem, was sich ankündigt. Ich finde, jeden Tag, den man lebt, lebenswert, freue mich, solange man aufstehen kann, ohne gleich einzuknicken. Ich freue mich auch an einem Wetter. Wenn ich wie heute drinnen sitze, und ich sehe wie der Wind die Schneeflocken waagerecht durch die Gugelstraße treibt, wo ich wohne. Dann freue ich mich darüber. Aber selbstverständlich ist man von Abschied umgeben, der dunkle Anzug rückt nie weit zurück. Und jeder Abschied, der an einen herankommt, erinnert einen an den eigenen Abschied. Ich hab mich seit meiner Jugend mit dem Tod beschäftigt. Es gibt ein altes Gedicht von mir, das ich mit 20 Jahren geschrieben habe, „Signal“.
„Auf der Fluh
steht ein Mann
schwingt eine Fackel
hin und her
dass die Nacht sich erhellt
mit Funken von Rot.
Die Fackel bin ich
der sie schwingt, ist der Tod.“

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