treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

MONTAGSVORLESUNG: DORON RABINOVICI - DIE LINKE & DER ANTISEMITISMUS & MEHR

19:30 HATIKVAH : HOFFNUNG - MUSIKFILM 30'

Beeindruckend, wie viele Musiker in Israel gegen den Wahnsinn in Israel ansingen.
eine halbe Stunde als Vorprogramm zum Wort am Montag aus einer Zusammenstellung sind zu einem Film zusammengeschnitten
als Einstimmung auf der großen Leinwand. 
unter vielen auch Idan Raichel:
10 tage nach dem massaker der hamas tritt er mit seiner band und vier mitstreitern auf - bring them home, now!
in ihrer mitte: rotem calderon. ein 19 jähriger junge trommelt um sein leben und um das seines vaters & seiner zwei geschwister, 
Ofer Calderon, 53, and two of his children, Sahar, 16, and Erez, 12, Calderon from Kibbutz Nir Oz have been missing since Saturday, October 7, when Hamas terrorists stormed the kibbutz, killing over 100 residents and some 15 foreign agricultural workers, and taking about 80 hostages.from Kibbutz Nir Oz. Die Leichen seiner Großmutter und seiner autistische Cousine Noya Dan wurden am 19. Oktober gefunden...  was für ein wahn-sinn.
bring them home, now.
idan raichel hat rotem für einige konzerte in seine band geholt: bring them home, now.
hört zu, wie es sich anhört: das fröhliche singende gebet und drinnen das zaghafte  trommeln eines 18jährigen: bring them home, now.
und tatsächlich: zwei wochen später - seine geschwister: Sahar, 16, and Erez, 12, Calderon - werden freigelassen. 

hoffnung darf größenwahnsinnig sein:
der musik ists gelungen, seine 2 geschwister zu befreien.
mit einem kleinen, wunderbaren  liebeslied.
*
Vater  Ofer Calderon, 53, ist noch immer Geisel der Hamas.

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20:00  DORON RABINOVICI

teil 1
Zu Weihnachten war Doron Rabinivici in Israel,
bei seinen Verwandten, bei freigelassenen Geiseln, im Kibbuz
diese Bilder versucht er in einen Text zu verwandeln.
Er wird an dem Abend davon berichten und den ein oder anderen vielleicht schon vorhandenen Textbaustein lesen.

teil 2 vortrag
DORON RABINOVICI: DIE LINKE & DER ANTISEMITISMUS
moderation: JOACHIM LEITNER
„What is right about the left and what is left of the left?“ Wie steht die Linke zu den pluralen Identitäten in der Migrationsgesellschaft. Wie hält sie es mit den Juden, die immerzu als Symbol des Differenten galten? Was ist ihr Verhältnis zum Antisemitismus?

*

 

DORON RABINOVICI

Doron Rabinovicis Vater flüchtete 1944 aus Rumänien nach Palästina, 
seine Mutter ist Überlebende des Ghettos Vilnius.  
1964 übersiedelte die Familie nach Wien. 
Rabinovici studierte an der Universität Wien und promovierte im Jahre 2000 mit der historischen Arbeit Instanzen der Ohnmacht. Die Wiener jüdische Gemeindeleitung 1938 bis 1945 und ihre Reaktion auf die nationalsozialistische Verfolgung und Vernichtung. Im Jüdischen Verlag bei Suhrkamp wurde die Dissertation unter dem Titel Instanzen der Ohnmacht: Wien 1938-1945. Der Weg zum Judenrat  publiziert.

Doron Rabinovici schreibt nicht nur literarische Texte wie die Kurzgeschichtensammlung Papirnik (1994) oder die Romane Suche nach M. (1999), Ohnehin (2004), Andernorts (2010) und Die Außerirdischen, sondern auch zahlreiche nicht-fiktionale Texte, in denen er zu Entwicklungen in Österreich und zur Politik Stellung bezieht. Er gibt darin auch Auskunft zur jüdischen Identität, doch ebenso zu poetologischen Überlegungen, etwa zu seiner Schreibintention oder zur Rolle der Literatur.
Bereits Rabinovicis erster Roman Suche nach M aus dem Jahr 1997 handelt von der Nachwirkung der Vernichtung. Auch seine anderen Romane thematisieren immer wieder den Umgang mit Erinnerung, NS-Vergangenheit, Fremdheit, Migration, Rechtsextremismus in Österreich, jüdisches Leben in Wien.
In den Jahren 2013 und 2014 initiierte und konzipierte er gemeinsam mit Matthias Hartmann die Zeitzeugenproduktion "Die letzten Zeugen" am Burgtheater; die Produktion bezog sich auf die Novemberpogrome 1938, die sich 2013 zum 75. Male jährten, erlangte hohe Wertschätzung seitens Publikum und Presse und wurde zum Berliner Theatertreffen 2014 eingeladen:
„Das ist in Wien sehr behutsam in Szene gesetzt, verzichtet auf theaterwirksame Garnierung, ist im besten Sinne erzählend – und hat deshalb nichts von pflichtschuldiger Erinnerungsverrenkung mit Betroffenheitsautomatik. „Die letzten Zeugen“ ist ein eindringliches, aber auch fragiles (Theater-)Dokument.“ – Jury des Berliner Theatertreffens 
Im Jahr 2018 stellte Doron Rabinovici nach einer Idee von Florian Klenk die Dramacollage „Alles kann passieren!“ ein Polittheater zusammen, ein Mosaik aus Reden und Statements rassistisch populistischer Regierungspolitiker Europas, das das Wesen und die Absichten dieser Politik offen zutage treten lässt. Die Lesung ist bloß durch einzelne Zitate von Hannah Arendt, Viktor Klemperer und Erich Kästner kommentiert und ist von wenigen Sätzen umrahmt, die von Rabinovici stammen. Alles kann passieren! wurde mehrere Male im Burgtheater aufgeführt.

Doron Rabinovici ist Mitglied im Vorstand der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.
Seit 1986 ist er ein Sprecher im Republikanischen Club – Neues Österreich gegen Antisemitismus, Rassismus, Homophobie und Rechtspopulismus. 
Als engagierter Intellektueller rief Rabinovici im Jahre 2000 aus Protest gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zur Großdemonstration „Nein zur Koalition mit dem Rassismus“ auf.
Doron Rabinovicis Mutter, Schoschana Rabinovici, stammt aus Wilna, der Hauptstadt Litauens, überlebte Getto, Konzentrationslager und den Todesmarsch und kam in den 1950er Jahren nach Israel. 
Die Geschichte ihres Überlebens schilderte Schoschana Rabinovici in ihrem Buch "Dank meiner Mutter. Sein Vater schaffte es, 1944 von Rumänien nach Palästina zu gelangen.

 

Ehrenpreis des öst. Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln

Doron Rabinovici erhält den Ehrenpreis für Toleranz in Denken und Handeln 2015. Mit dem Preis würdigt der österreichische Buchhandel seit 1990 Autorinnen und Autoren, die sich durch ihr Leben und Werk in herausragender Weise für ein friedliches Miteinander der Kulturen eingesetzt haben.

In der Begründung der Jury heißt es: »Ob als gewitzter Erzähler oder als akribischer Historiker, als Schöpfer des bewegenden Theaterprojekts Die letzten Zeugen oder als scharfzüngiger Publizist – Doron Rabinovici hat sich der Aufklärung und der Dialektik von Vergessen und Erinnern verschrieben. Sein präziser Blick, sein Sprachwitz und sein Hang zur Zuspitzung, die seine Essays ebenso prägen wie seine Romane, sind dabei nie auf die billige Pointe orientiert, sondern dienen der Differenzierung und Reflexion. Dass Toleranz nicht bloß eine Denkweise, sondern auch eine konkrete Handlungsanleitung ist, beweist der engagierte Citoyen Doron Rabinovici, der zuverlässig dort zu finden ist, wo es um Solidarität und Menschlichkeit statt Hass und Verhetzung geht.«

Armin Thurnher: LAUDATIO ZUM EHRENPREIS FÜR TOLERANZ

Laudatio zum Ehrenpreis des öst. Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln
an Doron Rabinovici von Armin Thurnher

Es gibt eine kleine Pointe bei dieser Rede. Dass nämlich ich rede und Doron Rabinovici zuhört. 
Meist war es umgekehrt. Zum Beispiel am 12. 11. 1999 auf dem Wiener Stephansplatz, als eine recht große Masse sich zu einem vergeblichen ersten Protest gegen Schwarzblau formierte. Es war sehr kalt, wir froren alle, ich erinnere mich, dass mir Peter Kreisky seinen Shawl borgte, der zu meinem Erstaunen von Knize stammte, dem alteingesessenen Geschäft für elegante Bekleidung ein paar Häuser weiter. Ehe ich fragen konnte, erklärte Peter entschuldigend, den habe er von seinem Vater geerbt. Ich trug also Bruno Kreiskys Schal, während auf dem Podest Doron Rabinovici sprach.
Es war weder die erste noch die letzte Kundgebung, bei der ich unten stand und ihm zuhörte. 
Ich kann sagen, ich habe so lange als Demonstrant unter ihm gedient, dass es nur würdig und recht ist, dass nun einmal er mir zuhören muss.

So oft ich ihn, den öffentlichen Sprecher, erlebt habe, war ich froh, einen wie ihn zu hören, der scharf und artikuliert einen linken Standpunkt vertritt. Einen Redner, um den, aller Solidarität der anwesenden Massen zum Trotz, wie mir schien, immer ein zarter Schimmer von Einsamkeit liegt und lag.
Ich denke, dieser Hauch von Einsamkeit kommt daher, dass Doron Rabinovici ein Bürger ist, wie er im Buch steht. Nämlich in jenem Buch, wo man den Citoyen noch vom Bourgeois unterscheidet. Er ist ein Citoyen, ein Republikaner. Ein Bürger solcher Art ist in Österreich noch immer eine Einzelerscheinung.
Doron Rabinovici ist ein öffentlicher Intellektueller, dank der Gnade einer späten Geburt nicht mit dem Makel des 68-ertums versehen. Er ist, wenn schon, ein 1986er. Die 68er rieben sich an den Nazi-Vätern, die 86er an den Nazi-Großvätern. Der Protest der 68 war psychisch, jener der 86er historisch grundiert. Von vielen seiner geschichtsfühligen Generation unterscheidet sich Doron Rabinovici durch die historische Präzision seines Blicks. Seine Arbeit „Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938-1945. Der Weg zum Judenrat“ entzieht sich dank ihrer Genauigkeit dem gemütlichen Ausweg des einfachen Urteils ebenso wie der Wärme der solidarischen Gruppe. Auch in seinen historischen Aufsätzen verweigert Doron Rabinovici befriedigende und behagliche Schlüsse, wie er selbst sagt. Eine Antwort, wie zum Beispiel mit Bildern der Massenvernichtung von Juden umzugehen sei, muss bei ihm offen bleiben – Bildverbot wie verklärendes Passionsbild führen ins Jenseits und ersparen uns die Auseinandersetzung hier und jetzt.
Solche Auseinandersetzungen führen ihn zu beunruhigenden Sätzen wie diesem, der sich in seinem Essayband Credo und Credit findet: „Wie ein roter Faden zieht sich die Blutspur des Antisemitismus durch die Geschichte des Abendlandes, denn das Pogrom ist zwar keine Notwendigkeit, aber allemal eine Möglichkeit.“
Das sagt mit der gebotenen Kaltblütigkeit einer, der die Gnade der Geburt von einer jüdischen Mutter hat. 
Geboren 1961 in Tel Aviv, 1964 nach Wien gekommen, ein echter Österreicher also, wie der echte Österreicher sagt, wenn er unauffällig seine reservatio mentalis ausdrücken will.
Dem Österreicher Doron Rabinovici wurde mit der Verbindung zu seiner Mutter auch eine Beziehung zu den Nazi-Mördern in die Wege gelegt. Der österreichische SA-Mann Franz Murer, genannt der Schlächter von Wilna, pflegte entkräftete Jüdinnen und Juden vor Zeugen zu erschießen. Er entriss in dieser litauischen Stadt einer jüdischen Mutter ihren Säugling und zerschmetterte ihn vor deren Augen an einer Wand. Im gleichen Wilna, wo Doron Rabinovicis Mutter, als Kleinkind in einen Sack eingenäht, den Mördern entkam.
Das alles war über diesen Murer bekannt, als er, mittlerweile einstimmig gewählter Obmann der Landwirtschaftskammer Liezen, im Graz der 1960er Jahre von einem österreichischen Gericht freigesprochen wurde. Doron Rabinovici teilt uns mit, dass am Tag der Urteilsverkündung sämtliche Blumengeschäfte der Stadt leergekauft waren. Man überreichte die Blumen dem Freigesprochenen vor dem Gerichtsgebäude. Murers Blumen. Welch zartes, grausames und eindringliches Bild für den doppelten Skandal dieses Freispruchs und dieses Triumphs der Bevölkerung!

Doron Rabinovici hat im Burgtheater mit Matthias Hartmann das gefeierte Zeitzeugenstück Die letzten Zeugen gestaltet. Er hat damit wie in seinen Aufsätzen zu Geschichte, Judentum und Antisemitismus auf das in einem Blumenmeer von Skandalen prangende Nachkriegsösterreich reagiert. Dank der Nachfolgepartei und eines ihr jahrzehntelang günstigen und mit Regierungsgeldern begünstigten Presse konnte dieses blumige Milieu auch ins Nachfolgejahrtausend herübergerettet werden, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Heutzutage wird man wegen Antisemitismus aus der FPÖ geworfen. Damit niemand fragt, wie man dort hineingekommen und groß geworden ist.
Doron Rabinovici stellt sich als Schriftsteller in bisher drei Romanen und einem Erzählband dem Thema, wie man mit israelisch-österreichischer Identität heute Jude sein kann. Das ist ganz offenbar nur mit Aberwitz zu ertragen, und Doron, der auch eine witzige Anleitung, jüdische Witze zu erzählen, geschrieben hat – weswegen ich Ihnen hier sicher keinen erzählen werde – wird dieser selbstgestellten Aufgabe auf luzide und lustige Weise gerecht. Wie sonst als in der Anarchie des Witzes können wir den uns umgebenden Wahnsinn ertragen?
Ich habe, um noch ein anderes Blatt unserer Zeitgeschichte aufzuschlagen, auch die Haltung bewundert, mit der Doron Rabinovici in einem Streitgespräch mit dem palästinensischen Studentenvertreter Hassan Habakzeh reagierte, das ein ambitionierte junger Journalist namens Christian Rainer im Juni 1988 für den Falter moderierte. Der Jude fragte den Palästinenser, was er von Gleichsetzungen Israels mit der SS und palästinensischen Flüchtlingslagern mit Konzentrationslagern halte. Dieser antwortete: „Die Konzentrationslager waren Lager zum Töten, das sind die Flüchtlingslager auch. Wie unterschiedet sich das, was die israelischen Soldaten heute tun, von dem, was die SA und SS früher getan hat? Es unterscheidet sich nicht.“
Rabinovici blieb ruhig und wies das scharf zurück, übrigens ohne den Großmufti von Jerusalem zu bemühen. Der Eingangssatz seiner Replik lautete: „Es ist immer ein Problem, hier in Österreich als Jude mit irgendjemandem über dieses Thema zu diskutieren.“ Ich vertiefe das hier nicht weiter, weise aber darauf hin, dass allein schon diese besonnene Reaktion den Erhalt jedes Toleranzpreises gerechtfertigt hätte.

An dieser Stelle darf ich meine kurze Verteidigung von Toleranz einflechten. 
Toleranz bedeutet nämlich Duldung, aber Duldung gerade dessen, mit dem man nicht übereinstimmt. Dass in dieser Duldung eine Hierarchie steckt, versteht sich. Jemand legt den Rahmen dessen fest, was geduldet wird. Es fragt sich nur, was man in diesem hierarchischen Verhältnis stärker betont: die Anerkennung dessen, mit dem man nicht übereinstimmt, oder die darin steckende Herablassung. Den Respekt, der in Toleranz steckt, oder die bloße Duldung.
Wer was bekämpft, diese Frage ist mit Scharfsinn zu entscheiden, literarische Mittel und solche der Satire können beim Herauspräparieren der Antwort helfen. Zum King Abdallah Zentrum für den interreligiösen Dialog stellte Doron Rabinovici die einleuchtende Frage: „Was wäre von einem Friedensinstitut zu halten, das nach Benjamin Netanjahu benannt werden würde? Was von einer Karl-Heinz-Grasser-Aufklärungsbehörde gegen Korruption? Oder von einem H.-C.-Strache-Mahnmal gegen Rassismus? Wäre das nicht alles ein schlechter Witz?“
Doron Rabinovici, meine Damen und Herren, macht keine schlechten Witze. Das hilft über die stets präsente Trauer jedes Aufklärers darüber hinweg, dass die großen Probleme ebenso unlösbar sind, wie es für richtig verstandene Toleranz keine Alternative gibt.
Lieber Doron, du wirst diesen Toleranzpreis erdulden, ich werde dich dafür respektieren, nein, mehr, ich freue mich darüber und gratuliere dir herzlich dazu.

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