Er ist 89 Jahre jung & kein bißchen leise, spielt seine Klarinette laut & luise, lacht & weint mit ihr & spielt zum Tanze auf. Er spielt so gut wie noch nie, sagt die Presse: Giora Feidman, weltweit gefeierter King of Klezmer
Vor 35 Jahren: Giora Feidman im restlos ausverkauften Treibhausturm. Eine junge Mutter will mitsamt ihrem Baby im Arm unbedingt ins Konzert. "Bitte nicht. Giora liebt die Akustik des Turmes, er will trotz Überfüllung akustisch, und ohne Verstärker spielen. Wir einigen uns - sie bleibt an der Ein/Ausgangstüre stehen und wenn das Baby weint, geht sie sofort raus. Denkste. Sie saß mitten im Saal, es wird dunkel, Giora kommt auf die Bühne, das Baby weint und schreit und weint und schreit. der Meister mimt den Rattenfänger von Hameln, nimmt seine Klarinette und spielt - fürs Baby - Shalom Aleichem. ... Nach dem 5. Takt schläft das Kindlein. Das wiederholt sich bis zum Ende des Konzertes 10 Mal plus Zugabe. Zwei Menschen haben sich verstanden - und der randvolle Treibhausturm war erstaunt - alle haben hautnah erlebt, was Musik vermag: ein Wunder, mit 400 und einem Zeugen... Musik - die „Sprache der innersten Seele“, ein Mittel der Verständigung, das alle Grenzen überwindet.....
1936 als Sohn jüdischer Einwanderer in Argentinien geboren, wird Giora Feidmans Jugend durch die spezifisch jüdische Musiktradition des Klezmer geprägt. Er entstammt einer Familie von Klezmorim, deren Tradition er in der vierten Generation fortsetzt. Seine Vorfahren traten bei Hochzeiten, Bar-Mitzwa-Feiern und anderen Feierlichkeiten im Schtetl des osteuropäischen Raums auf. Feidmans Eltern waren bessarabische Juden aus Chișinău, der Hauptstadt Moldawiens, die um 1905 wegen einsetzender Judenpogrome nach Südamerika auswanderten.
Sein Vater war sein erster Lehrer. Schon als 13-Jähriger begleitete er ihn zu Auftritten bei Hochzeiten und anderen Festen. Nach einer klassischen Musikausbildung wird Giora Feidman mit 18 Jahren in das Orchester des Teatro Colón in Buenos Aires aufgenommen. Zwei Jahre später folgt die Berufung als jüngster Klarinettist in das Israel Philharmonic Orchestra. In den fast zwei Jahrzehnten seiner Orchesterzugehörigkeit arbeitet er mit allen bedeutenden Dirigenten seiner Zeit. Giora Feidman entwickelt in dieser Zeit sein Verständnis von Musik als die „Sprache der innersten Seele“, als ein Mittel der Verständigung, das alle Grenzen überwindet.
Anfang der Siebzigerjahre verlässt Feidman das Israel Philharmonic Orchestra und startet mit seiner musikalischen Botschaft die weltweite Renaissance der alten Klezmer-Tradition, bereichert um die vielfältigen Stile klassischer und moderner Musik. Von New York aus, wo er als „King of Klezmer“ gefeiert wird, ebnet er der „Jewish soul“ den Weg auf die klassische Konzertbühne und schenkt seinen Zuhörern nicht nur eine sehr persönliche Interpretation des Klezmer, sondern eine grenzenlose Hommage an das Leben.
Parallel dazu bleibt Giora Feidman seinen musikalischen Anfängen treu: Auftritte mit zahlreichen namhaften Orchestern und Ensembles wie dem Kronos Quartett oder der Polnischen Kammerphilharmonie kennzeichnen seinen Weg ebenso wie CD-Produktionen mit den Berliner Symphonikern oder dem Philharmonischen Kammerorchester München. 2001 folgt er einer Einladung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, um als Solist im Rahmen der Reihe „musica viva“ an der Uraufführung eines Werkes von Magret Wolf mitzuwirken. Eine Tournee mit dem Münchner Rundfunkorchester verbindet er im Juli 2002 mit einem Ereignis, auf das die Musikwelt lange gewartet hat: Giora Feidman spielt Mozarts Klarinettenkonzert.
Neben dem Konzertpodium steht die Bühne: In Deutschland beginnt der außergewöhnliche Erfolg Feidmans 1984 mit seinem Auftritt in Peter Zadeks inzwischen legendärer „Ghetto“-Inszenierung. Feidmans Talent, seiner Klarinette fast schauspielerische Fähigkeiten zu verleihen, setzt sich 1994 in den Opern „Der Rattenfänger“ (Dortmund) und „Lilith“ (Bayreuth 1996) sowie dem Theaterstück „Meschugge vor Hoffnung“ in den Hamburger Kammerspielen fort. Internationale Filmprojekte erweitern den musikalischen Wirkungskreis.
Frilling ("From Ghetto") ist eine ergreifende Melodie, die tief in die Seele dringt. Maestro Giora Feidman verleiht diesem Stück eine unvergleichliche Intensität – seine Klarinette erzählt von Verlust, Schmerz und den stillen Momenten der Trauer. Mit jedem Ton spiegelt sich die Sehnsucht nach Vergangenem, der Abschied von geliebten Menschen und die unendliche Melancholie des Lebens wider. Doch zugleich liegt in der Musik eine Hoffnung – eine leise Erinnerung daran, dass selbst in den dunkelsten Zeiten die Kraft der Musik Trost schenken kann.
Anfang der 90er Jahre folgt Giora Feidman einer Einladung Steven Spielbergs und spielt zusammen mit Itzhak Perlman die mit einem Oscar ausgezeichnete Musik für den Film „Schindlers Liste“ ein. In dem erfolgreichen Kinofilm „Jenseits der Stille“ hat Feidman ebenso einen zentralen Gastauftritt wie in dem Film über das Leben der „Comedian Harmonists“.
1995 macht er mit der Neuvertonung des Stummfilm-Klassikers „Golem“ Furore und 2005 mit seinem Stück „Nothing But Music“, einer Inszenierung in zehn poetischen Bildern.
Mit all diesen Projekten ist der Musiker Giora Feidman zum Botschafter geworden, der Brücken zwischen Völkern und Kulturen baut. Der bescheiden gebliebene Mann, der keine großen Worte macht und lieber seine Klarinette sprechen lässt, wird zu ganz besonderen Ereignissen eingeladen. Bei der Feierstunde zum Gedenken an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus bringt er im Januar 2000 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zusammen mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker Ora Bat Chaims Komposition „Love“ zur Uraufführung.
Und im August 2005 lädt ihn Papst Benedikt XVI ein, zur Vigil auf dem Weltjugendtag in Köln aufzuspielen – vor mehr als 800.000 Zuhörern.
Heute ist der Virtuose Feidman eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. 2001 verleiht man ihm in Berlin in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden das Große Bundesverdienstkreuz am Bande.
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