treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

Der Traum vom Jakobsweg

Wer die Entwicklung der Ankünfte von Pilgersleuten in Santiago in den letzten 20 Jahren betrachtet wird sich die Augen reiben. Waren es im Jahr 2000 rund 65.000 Pilger die sich in Santiago de Compostela einfanden so stieg diese Zahl im vergangenen Jahr auf mehr als 300.000. Ein Abflachen dieses Wachstums ist nicht zu erwarten.

Wie sind diese Zahlen in einer immer sekulärer werdenden westlichen Industriegesellschaft zu erklären? Sicher ist nur, dass es nicht die katholische Kirche ist, die Menschen dazu motiviert, hunderte, ja sogar tausende Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Es ist schon eher der Wunsch nach einer spezifischen Form der Spiritualität, die Menschen motiviert, lange Strecken per pedes zu überwinden. 

Puente la Reina, die Stadt der Königin mit ihrer wunderbaren gotischen Brücke.

Ich bin 2000 erstmals von den Pyrenäen nach Santiago spaziert und sehe nun mit größtem Erstaunen (um nicht zu sagen Entsetzen) den Boom der Pilgerzahlen. Ich bin zweimal den sogenannten 'Camino Francès' entlangspaziert, der von den Pyrenäen bis nach Santiago - und für 'richtige' Pilger - weiter bis ans Ende der Welt, das Finisterre genannt wird und an der spanischen Atlantikküste liegt. 2003 bin ich erstmals die sogenannte 'Via Podiensis' von Le Puy en Velay entlang spaziert. Und habe seither viele andere, weniger bekannte Pilgerwege entdeckt, deren Schönheit es mit dem 'Hauptweg', dem Camino Francès locker aufnehmen können. Ich stelle im folgenden einige dieser Wege vor. Mit Ausnahme der Via Lusitania in Portugal und des Caminho Portugues habe ich alle anderen in Blogs bzw. Websites beschrieben.

Jährlich das Ziel von 300.000 Pilgersleuten: die Kathedrale von Santiago de Compostela

Die Ponte Maceira vor Nagreira zwische Santiago und Finisterre

Die Via Tolosana von Montpellier nach Puente la Reina

Diese Strecke ist historisch von den Südfranzosen und vor allem den Italienern begangen worden. Im Mittelalter sind ja Millionen von Menschen nach Santiago gepilgert um von den Sünden entbunden und damit vor der sicheren Hölle verschont zu werden.

Die Tolosana überquert den zweiten bekannten Pass über die Pyrenäen: den Somport-Pass. Der Weg führt über Toulouse - Pau und den Somportpass nach Aragon in Spanien. Von Jaca aus geht die Pilgerreise dann durch wunderschöne Landschaften und Dörfer nach Puente la Reina, wo die Tolosana in den Camino Frances einmündet. Ich habe alle Etappen, die Herbergen und die landschaftlichen Besonderheiten dieses Weges in meinem Via-Tolosana-Blog beschrieben. 

Oloron-Sainte-Marie am Eingang zu den Pyrenäen

Romanische und gotische Kathedralen säumen die Via Tolosana.

Die Via de la Plata

Dieser Pilgerweg durchquert Spanien von Süden nach Norden. Beginnend in Càdiz, der ältesten Stadt Westeuropas mit dem vermutlich ältesten Hafen führt die Plata über Sevilla, Zafra, Mérida und Salamanca zu einer Abzweigung bei Granja de Moreruela: hier teilt sich die Plata in den Camino Sanabrès und einen Zubringer der in Astorga in den Camino Frances mündet. Am Camino Sanabrès durchschreiten die munteren Pilgersleute teils windige, vor allem aber die armen Gegenden Nordwestspaniens. Von Kastilien geht es über eine Bergkette nach Ourense, einem magischen Ort an dem einst Gold gefunden worden war. Und an dem heute noch heiße Quellen sprudeln.

Der Alcazar von Sevilla

Der weitere Weg nach Santiago ist dann quasi ein Lercherl. Pilgersleute, die sich nicht mit dem Trubel in Santiago hingeben wollen spazieren gleich weiter. Nach Finisterre, dem von den Römern vermuteten 'Ende der Welt'. 

Die Via de la Plata scheint bisweilen den Himmel zu berühren.

Ich habe die mehr als 1.300 km lange Pilgerreise quasi dokumentarisch beschrieben. Vor allem aber wollte ich herausarbeiten, dass dieser Pilgerweg alle jene Kulturepochen durchmisst, die Europa zu dem gemacht haben, was es heute ist. Beginnend von den Phoeniziern über die Römer, die Westgoten und Mauren bis hin zu den katholischen Taliban um die habsburgische Kaiserbrut, die sich hier festgesetzt hatte. Aber auch die hasserfüllte, unmenschliche Franco-Diktatur hat noch Spuren hinterlassen, obwohl die immer noch nicht wirklich sichtbar sind. Lediglich in Caceres habe ich eine Tafel zur Erinnerung an die Ermordung des Bürgermeisters und der Stadträte gesehen.

Westspanien im Frühling. Ein wundersames Erlebnis.

Ach ja, nocht etwas. Plata im Namen dieses Jakobsweges bedeutet keineswegs Silber, wie manch eine_r annehmen will. Palata ist ein maurisches Lehnwort und bedeutet 'befestigte Straße'. Hier geht's zu meiner Website der Via de la Plata. 

Die Via Via Lusitania - auf den Spuren der Tempelritter

Ebenfalls auf der spanischen Halbinsel gelegen ist ein weithin unbekannter Weg: die Via Lusitania. Oder Lusitana, wie mir ein des Lateins Mächtiger eintrichtern wollte. Aber mir gefällt Lusitania einfach besser.

Der Weg startet an der südtlichsten Grenzstadt Portugals zu Spanien in Villa Real de Santo Antonio. Entlang des Grenzflusses, des Rio Guadiana spazieren die Pilgersleute durch die Wildnis des Alentejo. Wegmarkierungen haben Seltenheitswert, Herbergen gibt's auch keine. Pilgern also auf allerhöchstem Niveau mit Kompass und Landkarte, also keineswegs eine all-inclusive-Pilgerreise. Quasi. Ich habe die Distanz bis Guarda in Nordportugal zurückgelegt. Den Rest von dort bis Ourense - also an den Camino Sanabres - lieg noch vor mir.

Und wieder: eine einstige Römerstraße wurde mit Teer übergossen. Fertig.

Was mich während des ersten Teils meiner Pilgerreise auf der Lusitania intensiv beschäftigt hatte sind die Templer. Besser: die Tempelritter, die am 'Schwarzen Freitag' - es war der 13. Oktober 1307 - den Häschern des französischen Königs entkommen konnten. Viele von ihnen flohen nach Portugal. Vermutlich unter Mitnahme ihres Vermögens, das in der Folgezeit den Portugiesischen Herrschern zugute kommen sollte. Da der Jakobsweg genau an der historischen Grenze zu Spanien nordwärts führt tragen alle Burgen noch die Zeichen der Templer: das Tatzenkreuz. Und das, obwohl es seitens der katholischen Kirche verboten worden war. Die portugiesischen Könige änderten es dann in das heute im portugiesischen Wappen aufscheinende, abgeänderte Tatzenkreuz. 

Dorf im Alentejo

Diesem Tatzenkreuz mehr oder minder kriminalistisch zu folgen ist schon eine schöne und spannende Sache. Vor allem wenn man es urplötzlich in Steinen einer Begrenzungs-Steinmauer eines Bauernhofes wiederfindet.

Der Caminho Portugues

Beginnend in Porto bin ich bis Viana do Castelho spaziert. Immer entlang des Atlantischen Ozeans. Ein wunderbarer Weg, allerdings bereits heillos überlaufen. Aber immer noch einer der attraktivsten Jakobswege mit viel Meeressicht und schöner Landschaft im Nordwesten Portugals. Über diesen Weg habe ich keinen eigenen Blog angelegt. Denn die gibt's zuhauf. Hier geht's zur Beschreibung in wikipedia,

Porto ist der Ausgangspunkt des Caminho Portugues

Spazieren an der Atlantikküste ist für viele Pilgersleute ein Traum. Ich brauch kein Wasser.

Die Via Arverna

Einen der wohl unbekanntesten Jakobswege ist jener durch das Herz Frankreichs, durch die Auvergne.

Herz verstehe ich in zweierlei Hinsicht: einerseits geografisch. Die Auvergne liegt so ziemlich in der Mitte des Landes. Andererseits war die Auvergne einst das Zentrum Galliens. Hier wurden die Legionen Caesars von Vercintetorix einst nahezu vernichtend bei Gergovia geschlagen. Und das wiederum liegt in Sichtweite der auvergnatischen Hauptstadt Clermont-Ferrand.

Die romanische Basilika von Issoire

Den kulturellen Höhepunkt erlebte diese Region im Hochmittelalter. Konkret vom 9. bis ins 12. Jahrhundet. Es war die Zeit, als die Jakobspilgerschaft Millionen mobilisierte, nach Santiago zu pilgern. Der warme Geldsegen dieser Menschenmassen ermöglichten es Fürsten und Bischöfen in der damaligen Auvergne, roamanische Kathedralen zu errichten, die ihresgleichen suchen. Ob nun die Basiliken von Clermont-Ferrand, St-Saturnin, Issoire, Blesle oder Brioude: es sind Meisterwerke romanischer Baukunst die ihresgleichen suchen. 

Sainte-Madeleine-Kapelle bei Massiac

Zudem ist die Auvergne eine von Vulkanen geformte Landschaft. Was sich natürlcih auch auf die Streckenführung der Via Arverna auswirkt. Von Ost nach West geht in der Auvergne wenig bis gar nichts. Nord-Süd ist angesagt. Zudem hat  der einstige Riesenvulkan, der hier vor rund 20 Mio. Jahren in sich zusammengestürzt war, etwas für Pilgersleute hinterlassen, das diese nur mühsam überwinden: tiefe Täler und flache Hochebenen. Auf der Via Arverna ist es in der ersten Weghälfte quasi liebgewonnene Normalität, in aller Herrgottsfrühe gleich einmal 400 - 500 Höhenmeter hinter sich zu bringen. Und das auf relativ kurzer Strecke. Mit anderen Worten: da geht's mitunter steil aufwärts. Und die 'Königsetappe' führt dann über den 'Adlerschnabel' inmitten einer grandiosen Vulkanlandschaft auf 1.700 m Seehöhe. 

Mit der Beschreibung der Via Arverna und der kulturellen Zusammenhänge habe ich bereits begonnen. Besuche sind herzlich willkommen auf meinem Blog Via Arverna.

Die Vulkanlandschaft bei Murat

Tiroler Jakobsweg

Aber nicht nur Spanien, Portugal und Frankreich haben wunderschöne Jakobswege. Vergessen wir doch nicht, dass die Tiroler Geistlichkeit dereinst anz gut von den Pilgersleuten gelebt hat. Damals, als der Dom zu St. Jakob einerseits wegen des 'Gnadenbildes Mariahilf' von Lucas Cranach d.Ä. und andererseits wegen seiner Lage am Jakobsweg zu einem Pilgerziel geworden war. Hier versammelten sich vor allem jene Pilgersleute, die der "Schwarzen Madonna von Einsiedeln" ihre Aufwartung machen wollten. Und die mussten wohl oder übel den Arlberg überwinden, den höchsten Pass zwischen Wien und Santiago.

Wunderbares Haus in der Leutasch.

Und Tschüss. Hier endet der Tiroler Jakobsweg und mündet in den Ländle-Arlbergweg. 

Die 'Via Tirolensis' führt von Lofer über St. Johann - Wörgl und Innsbruck zum Arlberg. Der südliche Zubringer führte über den Brenner nach Innsbruck und dann weiter in die Schweiz. Auch vom Norden her strömten Pilgersleute in unser Land. Via Mittenwald - Leutasch und Telfs suchten sie den Weg nach Stams. Denn dort war einst ein Finger von Johannes dem Täufer als Reliquie gelagert. Und logo, dem Finger wurden wundertätige Kräfte zugeschrieben.

Ich habe die Via Tirolensis ebenso beschrieben wie die Zubringer aus Mittenwald und vom Brenner. Ihr findet diese Beschreibung hier.

Der Traum vom Jakobsweg

Wer die Entwicklung der Ankünfte von Pilgersleuten in Santiago in den letzten 20 Jahren betrachtet wird sich die Augen reiben. Waren es im Jahr 2000 rund 65.000 Pilger die sich in Santiago de Compostela einfanden so stieg diese Zahl im vergangenen Jahr auf mehr als 300.000. Ein…

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