treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

ROSANNA & ZELIA

BRASIL vom feinsten: afro-bossa-samba und eine pride reggae

Rosanna und Zelia kommen aus dem brasilianischen Bundestaat Minas Gerais. Dort pflegen die Menschen im Gegensatz zu Rio oder Sao Paolo die Saudade (Melancholie). Und so nimmt es nicht weiter Wunder, dass ihre Musik viel facettenreicher daher kommt als das brasilianische Karnevalsklischee. Dabei verschmelzen die beiden Frauen leidenschaftliche Balladen, Lautmalereien und religiöse Ritualmusik mit Reggae und Samba: ein etwas anderer Blick auf Brasilien.

Die Geschichte von Rosanna &Zélia ist die Geschichte einer Reise, die in Minas Gerais ihren Anfang nahm und die beiden Musikerinnen über Portugal und Finnland nach Frankfurt führte. Dort nahmen sie 1993 zunächst die Live-CD "Contra O Mau Humor" auf, um drei Jahre später mit "Passagem" das erste Studioalbum zu realisieren.  

"Fern der Heimat erkennt man seine Kultur ganz anders, lernt sie besser zu verstehen. Das war fast wie eine Entdeckung. Alles war plötzlich wie neu. Selbst der Bossa Nova - das war für uns bis dahin alte Musik, die war vorbei. Hier haben wir ganz wertfrei die Schönheit dieses Stiles wiederentdeckt. Auch damit, wie mit all den anderen Spielarten der facettenreichen Musik Brasiliens, wollten wir auch spielen", definierten sich Rosanna & Zélia neu.

Der Albumtitel war dabei Programm. "Passagem" steht für Reise, Durchreise, den Weg, die Fahrkarte und den Brückenschlag,    auch zwischen den Kulturen. So gingen die beiden Musikerinnen zurück zu    den afro-brasilianischen, aber auch indianischen Wurzeln ihrer Musikgeschichte. Gleichzeitig ermöglichte ihnen gerade auch die Begegnungen mit ausserbrasilianischen Musikkulturen in der Zusammenarbeit mit den deutschen Musikern Eberhard Hahn und Ernst Ströer sowie dem Bandoneon-Star Dino Saluzzi ganz neue Horizonte für die eigenen Kompositionen.

Besonders das Spiel des Argentiniers unterstrich    die Melancholie solcher Songs wie "Sobre a Solid‹o" in einem Ma§e, da§ ganz    offensichtlich wurde: "Die Musik ist weit entfernt von jeglichem Karneval- und    Postkartenklischee", wie in der Kasseler Zeitung zu lesen war. "Die beiden Frauen    experimentieren mit Lautmalereien, kunstvollen Balladenstimmungen, Kreuzungen    aus Reggae und Samba und religi?ser Ritualmusik", stand in Stereoplay.

Gerade die Melancholie verwundert immer wieder    viele Zuh?rer, die vor allem die ausgelassene Musik des Karnevals zwischen Rio    und Bahia im Ohr haben. Hier kehren wir noch einmal zum Ausgangspunkt der Reise    zurŸck: nach Minas Gerais, dem brasilianischen Bundesstaat, der mit seiner faszinierenden    Mischung aus Natur und Kultur immer wieder viele Besucher verzaubert. Es gibt    da nicht nur die berŸhmten, oft zitierten welligen grŸnen HŸgel, sondern es    ist genauso oft die Rede von den fast "barocken" EinflŸssen (als eine Art Erbe    des Kolonialstils), die gerade auch in Musik und Poesie ihre Spuren hinterlassen    haben.

Diese Region hat im Vergleich mit dem Rest Brasiliens    einen Menschenschlag hervorgebracht, der anders empfindet und denkt, politisch    wie kulturell. Vielleicht ist der Mineiro introvertierter, in sich gekehrter,    auch melancholischer als die als Ÿberschwenglich beschriebenen Bewohner Rios    oder Bahias. Diese Mentalit?t spŸrt man vor allem auch in der Literatur, der    Poesie und der Musik, die nachdenklicher und spiritueller ist. Schlie§lich ist    Minas Gerais der kreative Lebensquell solch bedeutender Musiker wie Jo‹o Bosco    und Milton Nascimento, in deren Tradition sich Rosanna & Z?lia auch verstehen.

Mit dem neuen Album "Cois‡rio" setzen Rosanna    & Z?lia nun ihre Reise fort. Seit den Aufnahmen zu "Passagem" waren viele neue,    interessante Erlebnisse und Erfahrungen zu verarbeiten. Tourneen und Festivalauftritte    in Deutschland (darunter die "Ludwigsburger Jazztage" und die "Afro-brasilianischen    N?chte" in TŸbingen), dem angrenzenden Ausland sowie in Kanada, der Austausch    mit vielen interessanten KollegenInnen wie Carlinhos Brown, Maria Jo‹o, Noa,    Sally Nyolo oder Badi Assad sowie Cooperationen mit dem Frankfurter Dance-«n«Trance-Spezialisten    Shantel und dem zw?lfk?pfigen Fusionensemble Expedicion.

"Cois‡rio" wurde wieder zusammen mit Johannes    Wohlleben im Tonstudio Bauer aufgenommen. Neben den konzerterprobten Bandmitgliedern,    der Percussionistin und Schlagzeugerin Angela Frontera, dem dritten Bandmitglied,    dem Bassisten Franco Petrocca und den von "Passagem" bekannten Studiog?sten    Ernst Str?er und Dalm‡ Lima an Berimbau, Timba, Vase, Ag™go und Conga luden    Rosanna & Z?lia diesmal weitere Musiker ins Studio ein - fŸr einen noch gr?§eren    Klangfarbenreichtum und ein zus?tzliches, emotionales Ausdruckspotential.

"Cois‡rio" ist eine Wortsch?pfung des Meisterpoeten    des magischen Realismus in Brasilien, Manoel de Barros. Es steht fŸr ein imagin?res    Beh?ltnis, in welchem man alle sichtbaren, aber auch unsichtbaren, reale wie    alle erfundenen und auch die noch nicht ersonnenen Dinge aufbewahrt und auch    gemischt werden k?nnen. Dieses Prinzip l?§t sich auf Rosanna & Z?lias Art zu    komponieren und zu texten, auf ihre Suche nach Kl?ngen Ÿbertragen. W?rter, T?ne,    Bilder, GerŸche, GefŸhle, Tr?ume gehen in die Lieder ein.

"Strange, the feeling/You are our beginning and    our end" - "Moldura" - dieser wundersch?ne, zum Ende hin von Streichern unterstŸtzte    Schwebezustand formt sich langsam heraus aus der wellenf?rmigen Bewegung eines    Besens Ÿber ein Schlagzeugfell und undefinierbaren Drone-Sounds und einem Rap-?hnlichen    Erz?hlstil in der Strophe. "Povo do Lugar" ist an der Basis ein sehr afrikanischer    Samba" mit sehr afrikanischen Grooves und Chorstimmen. Der beschwingte, optimistische    Charakter steht im Kontrast zum Thema des Textes, der vom Konflikt zwischen    "Erster" und "Dritter Welt" handelt, das Aufeinanderprallen von arm und reich,    Intuition und Intellekt, Emotionalit?t und Rationalit?t. ...und die BŸcher lernen    nie aus ihrer Geschichte." Als unerwartete Farbe Ÿberrascht in diesem Kontext    Claudio Puntins Klarinette.

"My mixed heritage clouds and colours the view"    - Synkretismus ist das Thema von "Cois‡rio de Imagens" mit seinen bizarren E-Gitarren-    und Cello-Motiven und der Polyrhythmik aus Bai‹o-, Maracatu- und Congado-Grooves.    (ein Hinweis auf die M?nnerstimme?) "C?u do Olho" ist pure Poesie und lebt von    der Spannung, dem Kampf der Rose gegen das Feuer und die Vernunft. Howard Levys    helle, klare Mundharmonika-Melodien fŸhren durch die Welt der WidersprŸche.    "Vagalume" - der Rhythmus dieses leichten Maracatu wird vom dumpfen Klang von    Dalm‡ Limas Vase mit ihrem Tabla-?hnlichen, aber eben nicht hohen, metallischen    Klang bestimmt. "Augenlicht - Kerzenlicht - Blitzlicht fŸr die Nachwelt". "ïco    da Paix‹o" ist ein Liebeslied mit dem sph?rischen Klang der Berimbau, den atmosph?rischen    Keyboards und der spielerischen Stimme der Klarinette - ein komplexes wie kompaktes    Klangbild - Sting h?tte es nicht besser arrangieren k?nnen.

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Ivan    Santos« Komposition "Lady Multimelanc—lica" (nomen est omen) l?§t die Zuh?rer    teilhaben an einer r?tselhaften Begegnung mit einer geheimnisvollen Sch?nen.    Die magische Atmosph?re wird eingefangen und interpretiert von zwei au§ergew?hnlichen    Stimmen, die hier aufeinandertreffen: der von Rosanna Tavares und der von Katharina    Franck von den Rainbirds. Kontrabass und Bassklarinette verl?ngern die mysteri?se    Stimmung. Sich selbst in einer anderen Kultur erkennen, ist das Thema von "Outras    Margens" - der Xote-Rhythmus ist auf Kuba gelandet, "...ich hier in anderen    Gefilden, schwerelos..." "Medida" ist eine Art Glaubensbekenntnis, Pl?doyer    fŸr das Neben- und Miteinander der unterschiedlichen Kulturen, Sitten und Gewohnheiten.    "Caj‡" ist eine balladeske Caetano Veloso-Komposition, davongetragenen von Kontrabass,    Geige und Cello - "Ich h?re der Wind weht, Wellen, FlŸgel, Gras. Augenblick,    Bewegung immer, jetzt in mir..."

"Jabuti" lebt von den pumpenden Kontrabass-Figuren    und den Funky-Gitarren von Z?lia und Freundeskreis-Gitarrist Frank Kuruc, der    hier solistisch gl?nzt. "Die Sch?ne ist«s, die die Kerzen anzŸndet, sagt sie    betet, doch sie ist«s, die das Biest verfŸhrt..." Ein Lied Ÿber die t?gliche    Versuchung. "Entre o P™r do sol e a noite" entl?§t mit somnambulen Stimmung    in das Niemandsland, die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Nacht, Ende und Anfang.    "Ein Ku§ und die Kugel trifft ins Schwarze, sagt mehr als die gelebten Jahre..."

Auf "Cois‡rio" haben Rosanna & Z?lia ihre musikalische    Vision noch konsequenter und homogener umgesetzt. Die Emotionalit?t der Musik,    die intensive Interpretation und die charmante Performance wird ihnen neue H?rerkreise    erschlie§en, die die Songs trotz Sprachbarriere verstehen werden. Denn es sind    auch Reisen in Seelen- und GefŸhlslandschaften, die sich Ÿber Atmosph?ren und    Klangfarben erfassen lassen.