HIMMLISCHER ROCKNROLL / SCHEINHEILIGE GESÄNGE / TEUFLISCHES SCHLAGZEUG: PAUL TOLLOY in bayrischen Diensten
Die Zeit des Wartens ist vorbei: HEILIG ist angetreten, als neue bayrisch-steirische Melange des alpenländischen Rock’n’Rolls sein Publikum zu beeindrucken. Das ist die Neuauflage des klassischen Kreativteams, das sich aus den herzlich befreundeten Alpenlandnachbarn Österreich und Bayern zusammensetzt. Denn das hat lange Tradition! Wir erinnern uns an Franz Joseph I., der seine Sisi (Sissi) in Bayern gefunden hat, ebenso wie Mozart seine Aloysia und Michael seine Marianne (Rund samma, g´sund samma).
HEILIG ist der Sänger „Pauli“ Paulitsch, der nach abenteuerlicher Kindheit in den Wäldern der Steiermark seinen ersten kulturellen Quantensprung nach eingehender Hörung einer KISS-LP machte.
HEILIG ist der Münchner Wiggi Raab, der laut eigenem Bekunden im zarten Alter von 12 Jahren bei der Rolling-Stones-Interpretation des Chuck Berry-Songs „Around and around“ ins Koma fiel und seit heute daraus nicht mehr erwachte.
HEILIG ist auch der ruhelose Geist des Rock’n’Roll, der „Pauli“ Paulitsch zu Wiggi Raab führte, der wiederum ihm die Möglichkeit bot, seine Stimme am quarzgesteuerten Gesangskraftverstärker zu perfektionieren.
HEILIG ist Renate Dienersberger,
begnadigte Konzert pianistin und Meisterin an Orgel und Ziach, sorgt für die nötigen Harmonien.
Winnie Thoma, der Solist an der Melodiegitarre, lebt gemäß des alten chinesischen Sprichworts „Lock and Loll will nevel die“.
Walter J.W. Schmid war früher einmal Cellist bei den Münchner Philharmonikern bis er bemerkte, dass „richtige“ Musik eigentlich nur mit Stromanschluss funktioniert. Er unterstützt HEILIG mit seiner 5-saitigen Tieftongitarre.
Scheinheilig ist Paul Tolloy
der HEILIG rhythmisch abgerundet, Innsbrucker, sanft im Leben, ein Tier an seinen Trommeln. Der bekennende Tiroler, der schon die höheren Weihen mit Größen wie Zida, Hoi!, Dj Ötzi, Sane, Atomic Kitten, Las Ketchup, Hansi Hinterseer, Beatstreet, Twice a Day usw. erhalten hat,....
aus: HOME-Of-Rock.de
Tagsüber eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit deutscher Texte im Rock & Roll geführt (Tenor: "Gibt es Leben jenseits von Bodo Ballermann"?), abends auf der Hinfahrt in der Süddeutschen einen wahnwitzig schönen Text über den Verfall erotischer Werte in den modernen Medien gelesen - der dann auch noch mit einem Bild der All-Time-Mega-Traumfrau Uschi Obermaier garniert war - und dann ab zum Konzert von HEILIG.
Mir ist es generell wurscht, ob Rock & Roll auf Deutsch oder Tibetanisch stattfindet. Hauptsache, dass überhaupt. Wenn allerdings deutsche Texte, dann bitteschön solche, die a.) witzig sind b.) wenigstens ansatzweise Sinn machen und c.) keine Kopfschmerzen verursachen. Es fallen also weg: Heinz-Rudolf Kunze und seine Schüler (wer braucht einen Quotenmann?), Rammstein (ich bück mich wenn mir was runtergefallen ist!) sowie Goethes Erben (die literarischen und die musikalischen).
Oiso, geh ma halt zu HEILIG und schau ma, ob die Burschen live so guad san wia auf da Plattn.
Das war Bayrisch und wer es nicht verstehen mag, kann jetzt zurück zu seiner hochdeutschen Titten-Homepage surfen (90% aller Internetseiten sind nämlich sexistischen Inhalts - Home of Rock auch, hähähä). Alle anderen: Obacht!
8 Leute stehen/sitzen auf der winzigen Bühne vom Hide-Out. Eng. Und voll mit Publikum ist's dazu. Rock'n'Roll muss eng und schwitzig sein!
Vorgriff: Drei Stunden später weiß ich, warum man vor vielen Jahren die ROLLING STONES als größte Band aller Zeiten bezeichnet hat. Wegen Keith Richards und seinen Riffs! Nicht dass der etwas erfunden hätte, nein, natürlich nicht, aber er hat aus Chuck Berry das gemacht, was er ist, der Gottvater des Rock & Roll nämlich. Die Stones sind jetzt eine Zirkusnummer, Chuck ist 250 Jahre alt und heilig ist heute gar nichts mehr, aber HEILIG sind grad da und die darf auch ein Agnostiker wie ich gegen 7 Euro (!) Rezeptgebühr zur Therapie einnehmen.
Erste Halbzeit:
45 Minuten und der Ball ist rund. Weißes Ballett, schwarze Leibal (= Trikot), Steilpass, Krankl, Hansiiii *, Corner, Goal, der pure Sex... Süchtig... Oder anders: Die Band rockt und groovt sich einen Wolf und das macht furchtbar Spaß. Die zwei Gitarren ergänzen sich wunderbar, der eine rifft, der andere lässt die flüssigen Dinger raus, die Mädels schaun gut aus, der Pauli ist der Entertainer und die Frau am Boogie-Piano haut auf die schwarzen Tasten und die weißen klimpern aus Angst dazu.
*[Krankl, Hans: Österreichisches Phänomen - s.a. Mozart, Kugel & Klammer, Franz (Schifoan) - das in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vermehrt bei Mallorcaurlaubern (s.a. "Ballermann") auftrat und erst in den 80ern durch die Unwörter "Dr. Kurt Waldheim", "Jörg Haider" und "Piefke" ersetzt wurde. Seither kam es zu keinen nennenswerten Ausschreitungen mehr zwischen Österreichern und Deutschen]
Zweite Hälfte:
Wer es bis jetzt nicht gemerkt hat, dem kann man nicht mehr helfen. Rock & Roll ist eine todernste Angelegenheit und damit spaßt man nicht. Wer Lieder vom Herrn Kurt nachmacht oder verfälscht soll mit den Zillertalern bestraft werden oder sie gefälligst so nachspielen wie es HEILIG tun.
Herr Kurt? Selbstverständlich ist der Herr Kurt Ostbahn gemeint. Wiener, Doktor, Erfinder des Favorit'n'Blues und fast 20 Jahre lang Bewahrer der einzig glücklichmachenden Musik: Rock & Roll mit Stromgitarren und Seele. HEILIG haben einige der schönsten Schlager vom Herrn Kurt im Programm und die spielen sie mal ganz nah am Original und mal in ausgesprochen gelungenen Neufassungen und trotzdem erkennt man immer wieder die wesentlich bekannteren - weil Englisch gesungenen - Coverversionen von Bands wie den bereits erwähnten ROLLING STONES. Auch einige frühe Hits der Mädels und Buben um Pauli Paulitsch kommen zum Vortrag, u.a. die Lola aus dem Münchner Norden, später von den KINKS zu weltweiten Ehren gebracht und fälschlicherweise von den Geschichtsschreibern als Engländerin bezeichnet.
Das Hide Out kocht und HEILIG rocken heftig und mit Schmelz und zwischendrin ist Mitt'n im Leb'n und dann wird's richtig manisch. Da ist er, der Groove, die volle Dröhnung, die gern auch mal 10 Minuten dauern darf, wenn die Band sich nämlich in diesen Rausch hineinspielt, der alle Nicht-Toten mitreißen muss: Rock bist' tropfst. Mir liegt ständig der Schrei "Laudaaa!" auf den Lippen (nicht Nicki, der hört rechts nämlich nichts). Mehr, ich will mehr Gitarren, mehr Bass, no an so an Schroa (= Schrei), schaut's Euch die Mädels an wie die mit dem Arsch wackeln! Und, bitte, noch einmal dieses Gejaule von der Hemmungsorgel!
Es spielt keine Rolle, ob eigene oder Kurti's Songs oder den einen guten vom Bowie, Helden, oder was vom Palmer Robert. Jetzt ist Party und der Rhythm und der Blues fallen auf die Knie vor dem schwarzen Engel, sogar der Buchhalter vor mir schnippt mit seinen Geldzählfingern.
Nachspielzeit:
Wenn ein Club brennt, dann gibt's nur eine Lösung: Bier trinken, ja keinen kühlen Kopf bewahren, immer schön hysterisch bleiben und fleißig Zündstoff in Form von Boogie nachschütten!
Was sagt der bayrische Gitarrist, wenn ihm nach der E-Saite auch noch die A-Saite reißt? 'S is as A a no o!
Aber die nötigen drei Akkorde gehen auch auf den verbliebenen Saiten noch ganz gut und weil Heiligabend diesmal am 10. Januar ist, kriegen wir noch eine Extrabescherung: Ein Packerl Rock & Roll.
Wem das jetzt alles zu viel Blödsinn war, dem sei gesagt: HEILIG spielen Musik, die in die Beine geht. Gradeaus, ehrlich, trocken, mit Humor und ohne Firlefanz. Grad so, wie ihn Keith R. damals auch gespielt hat. Ihr wisst schon, das ist der von der ehemals besten Band der Welt.