treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

KLEE

jelängerjelieber. deutscher gitarrenrockPOP

"In unserem Film sind wir die Guten / in unserem Film gibt’s keine Toten"
Popmusik in Deutschland muss nicht unbedingt von des schnöden Mammons Anziehungskraft geleitet sein, es gibt auch die andere Variante. Die besteht nämlich aus der Liebe zum einfachen Pop-Song, der jedoch nicht aufgesetzt und künstlich dargeboten wird. Klee, das klingt nach Kuhweide, nach grünem Gewächs mit drei oder vier Blättern, oder nach dem Maler Paul Klee, der sich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mit immer abstrakter werdenden Bildern einen Namen als Mitbegründer des Kubismus macht. Eine neue Generation deutschsprachiger Popmusiker hat frischen Schwung in den drögen Laden gebracht. In den letzten zwei Jahren sorgten nicht wenige Bands mit weiblichem Charme für reichlich Wirbel. Klee dürfen sich neben "wir sind Helden" und "Die Happy" mit Fug und Recht als Pioniere verstehen.

Seit Mitte der Neunziger sind Suzie Kerstgens, Tom Deininger und Sten Servaes ein eingeschworenes Team. Ralley hieß die Band, mit der sie demonstrierten, dass deutschsprachige Popmusik unbeschwert, frisch, filigran – einfach zauberhaft sein kann. Vor zwei Jahren folgte mit musikalischen Veränderungen auch eine Umbenennung und Klee veröffentlichten „Unverwundbar“: ein Album, das sie ungebrochen romantisch und in Melodien verliebt zeigte. Für ihr neues Album „Jelängerjelieber“ haben sich Klee noch stärker auf Songs besonnen, auf Klarheit und Transparenz und weniger auf Effekte und Schnörkeleien vertraut. Dabei sind und bleiben Schönheit und Romantik die stärksten künstlerischen Merkmale des in Köln ansässigen Trios.

„Jelängerjelieber“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Geißblatt, das englische Honeysuckle. Eine Pflanze, deren betörender Duft in der Naturheilkunde genutzt wird, um Menschen, die sich mit nostalgischen Gefühlen an der Vergangenheit klammern, das Leben in der Gegenwart zu erleichtern. Klees Album wirkt indes auf jeden Gemütsmenschen wie Balsam. Das sphärische Korsett, das noch die Songs vom letzten Album umgab, ist abgestreift und eröffnet den Blick auf eine Band, die ihre europäische Verwandtschaft, seien es Air, Smiths, New Order oder Coldplay, nicht leugnen muss. Dabei vertrauen Klee jedoch voll und ganz auf ihren eigenen musikalischen Kosmos. Und sie ziehen ihre Bahnen immer souveräner. Suzies Stimme ist reifer, tiefer und selbstbewusster geworden. Tom hat sein Gitarrenspiel deutlich in den Vordergrund gerückt. Und Sten setzt diesmal mehr Akzente am Piano; wohl temperierte Streicherpassagen umgeben nicht wenige der leicht und sanft wirkenden Lieder.

Einige Monate haben Klee in ihrem Kölner Studio an neuen Stücken gearbeitet. Den letzten Schliff bekamen die Songs im Conny Plank Studio. Abgemischt wurden die Songs zu etwa gleichen Teilen von Peter Schmidt (Beatsteaks, Blumfeld, Rosenstolz) und Jem (Angelika Express, Virginia Jetzt!), die zu den wohl besten Toningenieuren des Landes zählen. Unterstützt wurden Klee, neben den beiden auch live mitwirkenden Daniel Klingen (Schlagzeug) und Christoph Schneider (Bass), auch von ihrem alten Freund Tom Liwa (Flowerpornos), der die Songtexte für „Keine zehn Pferde“ und „Mein Geheimnis“ schrieb. „Für alle, die“ wiederum wartet mit einem prominent besetzten Backing Chor auf, zu dem sich neben den drei Jungs der Kölner Punkband Angelika Express auch Markus Berges von Erdmöbel gesellte. Die akustische Gitarre auf „Mein Zimmer“ spielt der in Düsseldorf lebende Künstler Cornelius Quabeck. Und auch Nina Hagen, die schon zu Zeiten von Ralley ein Fan der Band war, schaute im Studio vorbei, um auf „Gegen den Strom“ ein paar Zeilen zum Besten zu geben.

Doch all diese kleinen Stippvisiten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Musik von Klee ganz eigene Aromen entströmen. Klar, das liegt einerseits an Suzies Stimme, die viel Zärtlichkeit und Ehrlichkeit ausstrahlt und durch eine selten zu findende Intimität immer wieder überrascht. Eine Stimme zwischen Filou und Vamp, zwischen Jugendzimmer und Nouvelle Vague. Aber diese entwaffnende Stimme würde nicht so tief greifen ohne die ungemein zeitlos wirkenden Melodien. „Tausendfach“, „Zwei Fragen“ und „Mit dir“ sind über alle Beziehungsmuster hinaus klassische Liebeslieder mit Herz und Verstand, Lebenserfahrung und gekonnter Reflexion über das Wohl und Wehe großer Gefühle und inniger Bindungen. Die klaren poetischen Beschreibungen von Schicksalsfügungen erleichtern bei aller Intensität und allem scheinbar Privaten eine Identifikation ungemein.

„Für alle, die“ („…die alles geben, die romantisch und voller Mut für den einen Tag leben“) ist eine Hymne, die Mut macht, den Moment zu genießen und seine Träume so zwanglos wie möglich zu verwirklichen. Richtig druckvoll und durchaus auch für den Dancefloor baut „Solang du lebst“ musikalisch auf alarmierenden Wave und inhaltlich auf das Prinzip Hoffnung. Dann gibt es diesen wunderbaren Basslauf in „Gold“, der wie auch das wundersam plastische „Unser Film“ die unvergängliche New-Order-Melodik beschwört und in neuem Glanz erstrahlen lässt. „Keine zehn Pferde“ versprüht das Flair jenes Girl-Punk, der die Nummer zum rauschenden Fest eigener Jugendtage macht. Aber auch das tröstende Element, das viele Songs von Klee kennzeichnet, hat hier seinen festen Platz: „Wunschfrei“, in der Vehemenz der Akkorde eine Grußadresse an Coldplay, erklärt Sehnsucht zum edlen Motiv für Melancholie.

Die Popsongs von Klee sind keine Altersfrage, sondern eine Frage des Menschentyps. Nennt sie die Generation der im Herzen jung Gebliebenen. Das können Klee auch am Lächeln auf den Gesichtern ihres Publikums ablesen, ein Lächeln, das wärmt und zu der Erkenntnis geführt hat, auf einem richtigen Weg zu sein. Von Kurt Tucholsky gibt es ein Buch, das ebenfalls „Jelängerjelieber“ heißt. Es trägt den Untertitel „Von der Liebe, den Frauen und anderen Entzückungen“. Ein Themenfeld, das auch Klee mit ihrem neuen Album auf schönste Art und Weise abdecken. Es ist kein Album, das mit der Tür ins Haus fallen will. Es ist eher ein Werk, das ein wenig Muße und Hingabe fordert. Dafür gibt es einem aber auch geradezu verschwenderisch viel zurück und man wird es umso mehr lieben, je länger es einen begleitet.

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frankfurter rundschau:

Gleich zu Anfang das Manifest: "Das hier ist für alle, die es verstehen, die in der Tragik der Tragik das Schöne sehen. Das hier ist für alle, die sich verlieren, die in der Freiheit der Freiheit nicht kapitulieren." So beginnt das Konzert, so beginnt das aktuelle Klee-Album Jelänger, jelieber.

Es geht, so viel ist sofort klar, um die ganz großen Gefühle. Um Romantik, um "das Fünf-Buchstaben-Wort": Liebe. Und das unterstreicht Sängerin Suzie Kerstgens, eine "Mischung aus Pippi Langstrumpf und Marilyn Monroe", damit es auch wirklich jeder begreift, gleich nochmal. Überhaupt die Ansagen - es ist unfassbar, wie sich Kerstgens um Kopf und Kragen redet und doch immer wieder die Kurve kriegt. Im näheren Umfeld der Band, so wurde kolportiert, soll es Leute geben, die sich schon vor einem Klee-Konzert für die Ansagen entschuldigen.

Aber das ficht Suzie Kerstgens nicht an. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Band. Sie gibt sich unschuldig-kokett und strahlt eine Naivität aus, an der sich die Geister scheiden. Im relativ gut gefüllten Rüsselsheimer Rind geht die Rechnung auf. Die Bühne wird zur Spielwiese. Und die Lieder entwickeln eine oft ergreifende Dynamik. Es schwelgen die Gitarren, das Wurlitzer- Piano tupft blaue Akkorde, ein vorsichtiger Beat steigert sich in schöner Regelmäßigkeit zum Disco-Rhythmus, und der Himmel hängt ein ums andere Mal voller Geigen.

Klee haben einen langen Weg zurückgelegt. Von dem ungestümen Gitarrenpop, den sie in den Neunzigern unter dem Namen Ralley spielten, ist nicht viel übrig geblieben. Was Klee heut besonders macht, ist ihr internationales, vornehmlich an britischen Bands geschultes Popverständnis. The Cure, The Smiths, New Order sind offensichtliche Referenzen, auch die neuere Shoegazer-Schule um Bands wie Keane, Coldplay oder Starsailor. Dass Klee dabei nicht in pubertäres Wundenlecken verfallen, ist ihr großes Verdienst. Und dass Wedding Present Fans von ihnen sind, und sie zu gemeinsamen Konzerten eingeladen haben, lässt einen dann auch mal über ihren etwas peinlichen Auftritt bei Stefan Raabs Blödelshow Bundesvision Song Contest hinwegsehen.

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Es ist einem nicht oft vergönnt, die persönliche Entwicklung einer Band durch die Transformation ihrer Musik verfolgen zu dürfen. Klee waren einst die blumige Popgruppe Ralley. Dann kamen ein Autounfall, Trauma, Verlust, Neuanfang. Die heitere Melancholie Ralleys wich dem, was kommt, wenn ein Schock aus Leichtmut Schwermut macht. Klee spielten fortan ätherischen Elektropop - ein Gegenstück zum früheren Leben, als sie noch Songs übers Campen schrieben. Es muss zu weh getan haben, das danach auch nur zu versuchen. Und nun, langsam, ganz langsam, auf dem zweiten Album des zweiten Lebens der Popgruppe Ralley, bricht die Kruste der Leids mit hörbarem Krachen auf. Gitarren, Pianos und Streicher halten Einzug in eine Welt, in der zartsinnige Kamfparolen ausgegeben werden: "Das hier ist für alle die/die alles geben/die romantisch und voller Mut/ für den einen Tag leben". Klee erblühen, doch der Schmerz ist weiterhin präsent. In "Wunschfrei", dem kraftvollsten und tränenreichsten Stück dieser wunderbaren Platte, verzahnt die Band ihre Vergangenheit mit der Gegenwart für eine gemeinsame Zukunft, in der Ralley und Klee gemeinsam auftreten. Nicht umsonst klingt das optimistisch wie ein Song von Ralley, und doch schleicht sich Todessehnsucht auf Samtpfoten in dieses Requiem - auf einen verlorenen Freund, das verlorene Glück, die verlorene Unschuld. Klee werden dem Schicksal nie seine grausige Tat verzeihen. Aber sie werden nie aufgeben, denn: "In unserem Film sind wir die Guten/in unserem Film gibt’s keine Toten". Und die Sonne scheint, zaghaft, blinzelnd - Campingwetter É (vs)