treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

NIK BAERTSCH &  RONIN

Versunkenheits-Funk & unerhörter Ohrenschmaus neuer Weiten akustischer Architektur

Man muss nicht auf Computer zurückgreifen, um Prinzipien von elektronischer Musik und Hip-Hop in den Jazz zu übersetzen. Mit stoischer Ruhe und buddhistischem Gleichmut lassen sich der schweizerische Pianist Nik Bärtsch und seine Band Ronin treiben in sanften, meditativen Strömen aus akustischem Piano-Jazz. Will man überhaupt Beziehungen zur Musikgeschichte herstellen, dann kann man sein selbstbewusstes Debütalbum Stoa (ECM) irgendwo zwischen frühem Chick Corea und reifem Steve Reich einordnen. Der kontinuierliche Fluss seiner linearen Songs ergibt sich aus unzähligen winzigen Elementarteilchen. Bärtschs Affinität zu Comic-Ästhetik und asiatischem Kampfsport spiegelt sich in scharfen Konturen und punktgenauer Energieübertragung auf den Hörer wider. Klassik, Jazz, HipHop und Ambient ergeben bei Bärtsch ein neues Ganzes, das man so in der Jazz-Geschichte noch nicht gehört hat.

kulturnews.de
Wenn der Züricher Pianist Nik Bärtsch die Musik seines Quintetts (p, b, sax, dr, perc) erklärt, dann wird's kompliziert. Da ist die Rede von rhythmischen Werten, die in Fünferzyklen übertragen werden, von Motiven, die in verschiedenen Registern aneinander vorbeiziehen. Die Theorie schreckt ab, doch die Praxis keineswegs. Ronin Bezugssystem ist eher außermusikalisch, etwa die Zenlehre. Die Stücke - alle heißen "Modul" und werden nur durch angehängte Nummern unterschieden - schaffen aus Mustern und Wiederholungen einen dunklen Klangraum, durch den Farbschlieren ziehen, die sich nur allmählich vermischen. Ein Prinzip, das sich verabschiedet hat von der Vergöttlichung des Solisten, der an der richtigen Stelle Beifall erwartet. Es erinnert eher an Minimal Music, ist jedoch weit weniger starr. Manchmal - wie in "Modul 41_7" - entwickelt die kleinteilig zusammengefügte Musik über stoischen Bass- und Klavierläufen einen hypnotischen Sog, der nach Fünfminutenschritten unterbrochen und auf andere, ähnliche Weise wieder aufgebaut wird. Ersetzte man die Instrumente durch Synthesizer, käme klanglich wohl so etwas heraus wie Sequenzerelektronik.

Ronin schlagen fantastische Brücken zwischen West und Ost, Metrik und Mystik - und spielen doch den modernsten Jazz, den man sich denken kann. Live muss das wirken wie eine exotische Droge. Eine auf Pflanzenbasis. (mw)



Nik Bärtsch · piano, rhodes
Kaspar Rast · drums
Björn Meyer · bass
Andi Pupato · percussion
Sha · bass-, contrabass clarinet

Mit dem 2001 gegründeten Zen-Funk Quintett RONIN arbeitet Nik Bärtsch an seiner 'Ritual Groove Music' weiter. Zusammen mit Björn Meyer (Bass), Kaspar Rast (Drums), mit Andi Pupato (Perkussion) und neu mit Sha (Bass- und Kontrabassklarinette) spielt der Zürcher Komponist und Pianist eine Musik, die einer durchgehenden Ästhetik folgt: mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen.

Bei aller Vielfältigkeit ihrer Einflüsse lässt diese Musik stets eine eigene Handschrift erkennen. Zwar haben Elemente aus unterschiedlichsten musikalischen Welten in sie Eingang gefunden – Von Funk über neue Klassik bis zu Klänge der japanischen Ritualmusik –, doch diese Formen werden nicht postmodern nebeneinander gestellt oder zitiert, sondern verschmelzen zu einem neuen Stil. Das Ergebnis ist eine groovende, klanglich und rhythmisch hochdifferenzierte Musik, zusammengesetzt aus wenigen Phrasen und Motiven, die immer wieder neu und abwechslungsreich kombiniert und überlagert werden.

RONIN schafft so eine Ästhetik, die auf allen Ebenen musikalischer Äusserung durchgehalten ist. Komposition, Phrasierung, Klanggestaltung, Musizierhaltung und Stückdramaturgie bilden gemeinsam ein Ganzes, dessen sämtliche Teile aufeinander bezogen sind. (Michel Mettler)

Ronin auf Myspace: www.myspace.com/nikbaertschsronin



RONIN

„Es gibt zwei Wege, die der Samurai beschreiten kann: den des Gefolgsmanns und den des herrenlosen Samurai oder Ronin. Der erste wird in Japan anerkannt, der zweite wird verachtet.
Der verachtete Ronin ohne Clan wird von den Clansleuten als ein hungriger Wolf angesehen, der das Land durchstreift, ohne Bindungen, ohne Pflichten, ohne Unterstützung, ohne Schutz, ohne Sicherheit, ohne materielles Wohlergehen. Trotz seiner Geschicklichkeit als Schwertkämpfer ist er als Einzelkämpfer nicht in der Lage, gegen Banden oder rauflustige Clansleute zu bestehen. Seine Bereitschaft zu sterben darf jederzeit getestet werden, und zwar nicht in einer grossen Schlacht zwischen zwei mächtigen Sippen, wo er als berühmter Held sterben wird, sondern in unbedeutenden kleinen Zänkereien um einen Bissen Reis oder ein Schluck Sake. Will ein Ronin überleben, so muss er, gleich wo er sich zeigt, höchst vorsichtig sein. Er besitzt keinerlei sozialen Status und wird von niemandem geachtet. Man behandelt ihn mit derselben Vorsicht, mit der man ein wildes Tier behandelt, das beissen könnte, wenn es erschreckt wird.

Die meisten solcher Ronin sind mit ihrem Schicksal äusserst unzufrieden. Sie verbringen die meiste Zeit damit, sich irgendwo einzuschmeicheln, wobei sie darauf hoffen, dass ein Clan, der Krieger braucht, sie bei sich aufnimmt. Ihre zerfetzte Kleidung und ihre dürftige Nahrung bedeuten für sie einen Fluch, und sie sehnen sich nach der Ehre und Geborgenheit eines Clan-Mitgliedes.
Wenn diese verarmten Samurai doch nur einmal von oben nach unten blickten und ihre Situation ohne Vorurteil betrachteten! Sie könnten dann sehen, dass sie um den Preis ertragbarer Not ein seltenes Gut erkauft haben: Freiheit.
Sie sind frei etwas über unsere Welt zu lernen, frei den wahren Zweck eines Menschen auf der Welt zu untersuchen und zu erfüllen. Sie können sich in der Wildnis abhärten, Budo studieren, wo immer ein Meister anzutreffen ist, Klöster besuchen, um die Meditation zu erlernen.

Der Preis dafür mag ein gelegentlich leerer Magen sein, ein bisschen Einsamkeit und Armut. Doch es ist nicht leicht sich von der erdrückenden Rolle eines Gefolgsmannes frei zu machen!“

(aus: Thomas Preston; Samurai-Geist - Der Weg eines Kriegers in den japanischen Kampfkünsten; Leimen/Heidelberg 1991


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JAZZPODIUM

Seit den 90er Jahren überrascht der 1971 in Zürich geborene Pianist Nik Bärtsch immer wieder durch Klangideen ganz besonderer Art, die in die berühmten „Kästen“ einzuordnen den Puristen sicher nicht leicht fällt, aber die Öffentlichkeit, die Besucher seiner Konzerte beispielsweise immer auf besondere Weise anspricht. Zusammen mit seinem langjährigen Freund, dem Schlagzeuger Kaspar Rast und dem schwedischen Bassisten Björn Meyer hat er 2002 die Band Ronin gegründet, zu der dann noch der gerade mal 22 Jahre alte Klarinettist Sha (Stefan Haslebacher) und zu guter Letzt der Perkussionist Andi Pupato kam, der afrokubanische und afríkanische Klangelemente in die Band einbrachte.

Nach ihren Lebensläufen haben alle Musiker viele unterschiedliche Musikrichtungen kennen gelernt und praktiziert, bevor sie sich nun – vielleicht äußerlich gesehen – mit Mitteln des Minimalismus eine ganz neue musikalische Wirklichkeit erschlossen haben. Entstanden sind die Kompositionen (genau gesagt Modul 36, 35, 32, 33, 38_17) – die meisten Titel sind durchkomponiert, nur wenige wie der Anfang von „Modul 36“ sind improvisiert – während eines längeren Japan-Aufenthaltes von Bärtsch. So ist eine kontemplative Haltung mit starker Beziehung zu ostasiatischen Philosophiewelten ganz wichtig für das Werk, ohne dass aber äußerlich erkennbare ostasiatische Musikgedanken Eingang finden. Viel eher spielen insoweit Rückbeziehungen auf volksmusikalische Einflüsse eine Rolle, so zum Beispiel bei dem schwedischen Bassisten. Zu erwarten, dass man nun folkloristische Bestandteile erkennen kann, wäre auch wieder ein Trugschluss. Es geht Bärtsch eher um die Art der Herangehensweise, die musikantische Haltung, die damit verbunden ist.

Die Welt des klassischen Minimalismus ist dem Pianisten Bärtsch, der bis zum 16. Lebensjahr nur das Jazzklavier praktizierte und erst dann auf das Studium des klassischen Klaviers umstieg, durchaus vertraut, so die Vertiefung einer Idee durch dynamische Wiederholungen. Aber auch das genügt ihm nicht zur Erklärung des Phänomens seiner Musik.

Auch Jazz ist es nicht, wenn die Musiker sich auch in ihrem Leben sehr intensiv mit dieser klassischen Form improvisierter Musik des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt haben. Die Grundkonzeption eines durchgehenden Rhythmus haben sie sicherlich dort entliehen. Ironisch hat Bärtsch einmal von Zen-Funk gesprochen, ein Widerspruch in sich, der in dieser Gegensätzlichkeit aber sehr einfach die Musik beschreibt. Ein weiterer, aber ebenso unzureichender Begriff, die packende Musik zu bezeichnen, deren sich ständig steigernden Kraft man sich kaum entziehen kann, ist „Trance“.

Nik Bärtsch äußerst dazu: „Es gibt ganz viele Einflüsse, weil wir alle sehr viele Musikstile mögen. Wir sind keine Puristen, mögen auch Jazz, aber auch ganz Modernes, hauptsächlich gute Musik. Es ist wichtig, dass man zu einem Destillat kommt. Man kann ja nicht alles mixen. Das braucht Zeit. Erstmal muss man wissen, was einen an einem Stil interessiert. Dann zu welcher Ästhetik man eine Affinität hat. Bei uns ist das auch neben dem Groove der Akzent des ‚weniger ist mehr’. Es geht darum, mit dem Material Räume zu kreieren, in denen man sich bewegt. Ganz wichtig ist, dass die Band kontinuierlich zusammen arbeitet. So haben wir über lange Zeit eine Sprache entwickelt. Wir sprechen denselben Slang. Wir wissen, dass es
schwierig ist, ein solches soziales Netzwerk für eine Band aufzubauen, das über eine längere Zeit funktioniert. Gemeinsam ist uns, dass wir alle sehr viele Musikstile mögen, die wir auch gespielt haben, aber dann in der Anwendung sehr darauf achten, alles weg zu lassen, was exzentrisch, was nicht unbedingt nötig ist für die Musik, wie sie von der Band als Organismus kreiert wird.

Ich selbst habe hauptsächlich Jazz gespielt, schon als Kind angefangen, aber anfangs nur Jazzklavier. Dann habe ich begonnen, klassisches Klavier nachzuholen, hatte einen sehr strengen ‚Old-School’ Lehrer. Dann habe ich mich entschieden, klassisches Klavier zu studieren, weil ich es für das Klavier einfach elementar, essentiell finde. In dieser Auseinandersetzung habe ich natürlich auch viel klassische Musik gehört, Strawinsky war für mich sehr interessant.

Dann habe ich auch begonnen, mich für Japan zu interessieren, für Kampfkunst, Zen usw. aber immer sehr im praktischen Sinn. Ich war immer ein intellektueller Mensch und hatte ein körperliches Defizit. Habe viel an dem Bewusstsein gearbeitet, dass Körper und Geist zusammen gehören. Auch in dieser Form von japanischer Ästhetik ist die Formel ‚weniger ist mehr’ sehr wichtig.“

Auf die Frage, ob es den handwerklich kenntnisreichen Musikern nicht auch mal „in den Fingern juckt“, ihrer Virtuosität freien Raum zu lassen, sagt er: „Man hört, dass alle das könnten, aber wie Kaspar immer sagt, ihm kommen im Konzert immer so 50 Pickups und Fills in den Sinn und am Schluss spielt er dann fünf oder so. Und die haben dann auch eine ganz andere Präsenz, eine ganz andere Schönheit, wirken kompositorisch, obwohl sie improvisiert sind. Ich glaube, das ist das Interessante an dieser Musik, dass man auch technisch ein sehr guter Musiker sein muss, interpretatorisch, in der Hingabe an den Text. Die Stücke sind ja aufgeschrieben und haben gleichzeitig eine fröhliche Bescheidenheit.“

Die Beziehung zu volksmusikalischen Quellen sieht er so: „Man findet das auch im Pop sehr oft, dass für die Bands das Volkstümliche, aber auch das Unmittelbare und Musikantische eine Rolle spielt, weil sonst die Musik zu starr wird. Man hört bei Björn gut den Einfluss der schwedischen Volksmusik, mit der er aufgewachsen ist. Ich finde ganz wichtig, dass dies dazu gehört wie auch der Funk-Aspekt, der dann auch eher nordischer oder europäischer wird.“ Zur Frage der Grundidee aus der ostasiatischen Philosophie, die in der dynamischen Wiederholungspraxis zum Ausdruck kommt, stellt er fest: „Dies ist immer gepaart mit europäischem Bewusstsein für Komposition und Form. Wenn man Wiederholung nur behauptet, bleibt das ein Statement. Interessant ist immer, wie Material Form und Dramaturgie schafft, was für ein Potential die Musik hat. Es gibt ja vieles von den klassischen Minimalisten, viele Stücke, bei denen Repetition eine große Rolle spielt. Mich haben immer die Stücke interessiert, die dabei trotzdem eine Form kreiert und das Material nicht in einen narrativen Prozess gezwungen, sondern ihm Zeit gelassen haben.“

Dass die Musik live ganz anders klingt oder wenigstens zu erleben ist, kann er nur zum Teil bestätigen: „Das stimmt bis zu einem gewissen Grad. Eine Platte ist immer etwas anderes als ein Live-Konzert. Die Musik auf der CD ist bis zu einem gewissen Grad körperloser. Trotzdem finde ich, dass die Dramaturgie, wie wir sie auf der CD hingekriegt haben, mit dem Klang zusammen, der ja immer sehr wichtig ist, auch gerade bei ECM, etwas ganz Eigenes ergeben hat. Live ist die Band natürlich viel direkter, erlaubt sich auch, viel unmittelbarer zu grooven.“

Zunächst ging die Release-Tournee durch die Schweiz und Deutschland, Länder, die den Musikern auch in anderen Ensembles bisher sehr vertraut sind. Mit dem weiteren Vertrieb der
CD und der damit verbundenen Verbreitung bleibt das Erlebnis von „Ronin“ natürlich nicht auf diese beiden Länder beschränkt. Wieder einmal zeigt sich an diesem Projekt die große Vielseitigkeit und Offenheit der sog. Aktuellen Musik, die sich nicht selbst Grenzen setzt, sondern eher dazu antritt, vielleicht noch bestehende Grenzen zu überschreiten.

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FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

Versunkenheits-Funk
Die Wüste lebt: Nik Bärtsch mit seinem Quintett Ronin

Was „Stoa“ zu einem der wirklich überraschenden Alben dieses Frühjahrs macht, ist weder die Besetzung der Formation „Ronin“, für die erste Veröffentlichung auf dem Grenzgängerlabel ECM zum Quintett gewachsen, noch die heute beinahe übliche studiotechnische Rafinesse. Mit einem Bassisten, zwei Schlagwerkern und einem Baßklarinettisten hat der Zürcher Pianist Nik Bärtsch seine Formation zwar rhythmuslastig, aber nicht sonderlich auffällig besetzt. Und seine schlicht als „Module“ bezeichneten und mit einer Nummer versehenen Stücke sind nicht etwa dem Geschmack heutiger elektronischer Tanz- und Tapetenmusik entsprechend klangtechnisch manipuliert, sondern eingespielt worden, ohne daß überhaupt eine Tonspur nachträglich ergänzt oder verändert worden wäre.

Das ist selten geworden, selbst in Jazz und Klassik. Aber „Stoa“ ist auch kein Jazz. Und Klassik ist es auch nicht. Dabei klingt die Musik des Mitdreißigers in ihrer Dynamik, ihrem Schwung, in ihrer Raffinesse durchaus nach Jazz. Und in ihrer formalen Strenge und Reduktion durchaus nach den Ausläufern klassischer Musik, die man Minimal Music nennt.

Dann schaltet die Maschine einen Groove höher
Fast könnte man überhören, daß Nik Bärtsch eigentlich eine Musik der Gegensätze macht. Kunstvoll setzt sein Quintett Stück für Stück komplizierte Mechaniken in Gang, in denen sich elegant unwuchtige Rhythmen etablieren, langsam um sich selber kreisend. Die einzelnen Instrumente durchlaufen wieder und wieder die gleiche Tonfolge, ohne daß sie leerläuft - ein in seiner Genauigkeit, dem Repetitiven maschinell und zugleich im melodischen Trudeln der Tonfolgen organisch wirkender Vorgang.

Der Form nach erinnern manche Passagen an Steve Reichs „Music for 18 Musicians“, für solistenlose Jazzrock-Combo arrangiert. Dem schwebenden Klang nach erinnern andere an die Duos von Gary Burton und Chick Corea. Der rhythmischen Präsenz nach erinnern wieder andere an das Jam-Trio Medeski, Martin und Wood aus den Aufnahmen mit John Scofield: Als würde die Maschine ihren Gang wecheln, gleichsam in höheren Groove schalten, werden die Tonfolgen zuweilen abgelöst von Pattern pursten Funks, denen allerdings die Pose fehlt. Eine Musik der Versunkenheit, dabei von mitunter atemberaubender Offensivität.

In den einzelnen Phrasen - einzeln nicht narrativ genug, um Melodien genannt zu werden - sind bereits Rhythmen mit formschöner Kantenführung eingelassen. Dennoch wird jedes Instrument bis hin zu Klavier und Klarinette ungewöhnlich perkussiv gespielt. Und wer in einer Phase präziser Schmatz-, Schnalz- und Schlürfgeräusche ein Klarinettensolo erkennt, fühlt sich dem Jazz doch wieder nahe. Auch wenn Ronin an die Stelle der klassischen Spannung zwischen Vorder- und Hintergrund, zwischen Solo und Begleitung spannungsgeladene Klangräume setzt. Auch wenn Ronin statt Aussage so etwas wie meditatives Leersein zu suchen scheint. Selten war die Leere so lebendig, selten die Wiederholung so anregend. Und nie zuvor sind krumme Klangmuster so abgegangen.


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JAZZTHING

Höflicher Radikaler
Von Christian Broecking

Der Groove und der Beat haben ihn schon immer interessiert. Dass manche meinen, Groove sei meist Mainstream-verdächtig, also schlecht, etwas, das man nicht tut, stört Bärtsch wenig. „Alle Leute, die bei uns spielen, haben keine Berührungsängste mit der populären Musik. Ihnen geht es darum, in dem jeweiligen Genre so gut und intelligent wie möglich zu arbeiten.“

Es geht um Codes, gemeinsame Erlebnisse, um Ironie im Umgang mit Zeichen und darum, dass eine Band sich entwickelt, man voneinander lernt: Der Pianist und Komponist Nik Bärtsch inszeniert mit seinen Bands Mobile und Ronin eine Groove-orientierte Musik, bei der Struktur und Haltung zählen. Mit „höflicher Radikalität“ setzt sich Bärtsch von jenen konkurrierenden Musikerzirkeln ab, die seine Sounds als Tee-Funk bezeichnen. Bärtsch selbst spricht da lieber von Ritual Groove Music. Jeden Montagabend kann man sein Netzwerk im Züricher Club Bazillus erleben, nach sechs CDs in Eigenregie ist bei ECM jetzt eine neue Platte „Ronin“ erschienen.

Für den 1971 in Zürich geborenen Pianisten, der auch Philosophie und Linguistik studierte, geriet vor zwei Jahren ein längerer Japanaufenthalt, den der gut dotierte Werkpreis der Stadt Zürich ihm ermöglichte, zu einer grossen spirituellen Bereicherung. Als er jünger war, hatte Bärtsch viel in so genannten Ad-hoc-Bands gespielt – mit, wie er heute sagt, meist unbefriedigenden Resultaten. „Wir haben eine andere Haltung, eine andere Philosophie als die Musiker in den achtziger Jahren, als man gedacht hat, man müsse einfach mal ein paar total neue Leute zusammenstellen, weil man schauen muss, was aktuell passiert, wie sich das entwickelt, wie man mit Freiheit umgeht, mit Macht – das interessiert uns aber heute nicht mehr.“

Anfangs wurden Bärtsch und seine Mitmusiker auch als „New Left“ bezeichnet, weil ihre Musik gegenüber der Free-Bewegung und dem Mainstream als neuer Ansatz erschien – fern von der 68-er oder 80er-Haltung des Musikmachens, frisch und jung eben. „Abgesehen davon, was aus der ‚New Left’ nun politisch geworden ist, hielt ich das anfangs für eine ganz schöne Bezeichnung für den Beginn von etwas Neuem, von kreativer Groove Musik“, berichtet Bärtsch, „und das Rituelle ist mir persönlich sehr wichtig – ich mag Rituale, die dazu verhelfen, tolerant und verbindlich zu sein.“  



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RONIN

Ronin (japanisch wörtlich: „Wellenmann“ – einer der wie eine Welle umhergeworfen wird) waren herrenlose japanische Samurai während der Feudalzeit von 1185 bis 1868. Ein Samurai konnte herrenlos werden, wenn sein Herr starb, vom Shogunat seines Amtes enthoben wurde oder wenn er bei seinem Herrn in Ungnade fiel und verstoßen wurde. Der Begriff selbst stammt aus Nara- und Heian-Zeit, wo er noch für Leibeigene gebraucht wurde, die geflohen oder vertrieben worden waren.

In der Edo-Zeit nahm die Zahl der Ronin aufgrund des starren Ständesystems und der strengen Gesetze immer mehr zu. In den früheren Zeiten konnten Samurai ihren Herren wechseln, einen anderen Beruf ergreifen oder Angehörige anderer Stände heiraten. In der Edo-Zeit hingegen war das den Samurai verboten und sie konnten sich nur einem anderen Herrn anschließen, wenn ihr früherer Herr ihnen das erlaubt hatte. In der japanischen Kultur wurden die Ronin als ehrlos angesehen und waren Ziel von Hohn und Satire. Ihr Ehrenkodex verlangte von den Samurai Seppuku (die rituelle Selbsttötung) zu begehen, wenn sie ihren Herrn verloren oder sonst ein Leben in Schande führten.

Oft war ein Ronin an seiner Frisur zu erkennen. Im Gegensatz zu einem Samurai trug er die Haare nicht streng gelegt bzw. rasierte sich nicht die Stirn.

Einer der berühmtesten Ronin war Miyamoto Musashi, ein berühmter Schwertkämpfer. Er schrieb auch Das Buch der fünf Ringe.

Der Ronin Yataro Iwasaki legte 1873 den Grundstein für das Handels- und Firmenimperium Mitsubishi.