treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

JOO KRAUS

PUBLIC JAZZ LOUNGE: der Kraan/TabTwo/DePhazz- Trompeter Joo Kraus und der Jazz

Joo Kraus ist aus der älteren und jüngeren deutschen Musikgeschichte nicht wegzudenken. Bekannt und berühmt geworden seinerzeit als Trompeter der Kultband KRAAN oder später durch das Hip-Jazz Projekt Tab Two bedienen sich auch die Jazzkantine, De-Phazz, Die Happy, Fury In The Slaughterhouse, Kinderzimmer Productions, Peter Herbolzheimer, Charlie Mariano und Tina Turner seiner Kunst.
PUBLIC JAZZ LOUNGE:
Titel von Earth Wind & Fire („Getaway“) sind genauso darunter wie „Scarborough Fair“ von Simon and Garfunkel. Und all das was ihn in seiner weiteren Entwicklung begleitet hat, seine Verehrung für Freddie Hubbard („Red Clay“) oder Erfolgstitel von Sting oder Björk oder Anklänge an Joe Zawinul („Birdland“) oder George Benson („Give Me The Night“). Außergewöhnliche Arrangements, ein nicht üblicher Einsatz der Big Band, Verbindungen von Jazz, Rhythm & Blues und Pop kommen zusammen in Joo Kraus Lounge, die kein privater oder „Business“-Raum sein soll, wie er es nennt, sondern ein öffentlicher, für alle zugänglicher Raum, in der auch eine öffentlich-rechtliche Big Band ihren Raum hat.

Public Jazz Lounge: der Trompeter Joo Kraus und der Jazz

Einen nicht alltäglichen Weg ist Joo Kraus in seinem musikalischen Leben gegangen, der Trompeter aus Süddeutschland, Jahrgang 1966. Nach einem klassischen Studium in München bei Prof. Lachenmeier arbeitete er zunächst in Sinfonieorchestern in München, Stuttgart und Ulm. Auch spielte er in kleineren Ensembles und setzte sich mit Projekten der Neuen Musik auseinander.

Der große Umschwung kam, als er Ende der 80er-Jahre Helmut Hattler kennen- lernte und danach von 1987 bis 1992 in dessen Band KRAAN spielte, eine Kult-Fusion-Band, die 1992 ihre Arbeit beendete, jetzt aber wiederbelebt wurde, allerdings ohne Joo Kraus. 1992 gründete er Tab Two, womit eine sieben Jahre lange, erfolgreiche Periode für ihn begann. Hunderte von Konzerten und acht CD- Produktionen, aber auch der Gewinn des Jazz Awards waren das Ergebnis. Daneben arbeitete er aber auch als Studiomusiker mit der Jazzkantine, Peter Herbolzheimer, Charlie Mariano oder Fury In The Slaughterhouse oder lieferte Kompositionen für Projekte von Tina Turner oder DePhazz, für Werbesongs und anderes mehr.


Im Jahr 2000 gründete er eine neue Band, A.C.F. (Advanced Combo Funk), mit der er neue Wege in Richtung Jazz jenseits von Elektronik und Digitalem gehen will.


Die Arbeit mit Tab Two hatte ihm Spaß gemacht: „Ich habe da viel mit Computern gearbeitet, bin in die Mac-Welt hineingewachsen. Einerseits habe ich davon viel profitiert. Aber es haben auch viele Sachen darunter gelitten. Hab keine Zeit gehabt, mich um Jazz-Harmonik zu kümmern und Klavierspiel, was ich jetzt sehr wichtig finde, um Songs zu machen und ganz andere Sachen. Auch mein Trompetenspiel. Ich nehme jetzt auch wieder Unterricht. In der Beziehung habe ich mich nicht weiterentwickelt, in anderer schon. So habe ich bei den ersten Versuchen, Songs am Computer zu machen, gemerkt, dass das wieder Tab-Two-Songs werden. Dann hab ich mir ein Klavier gekauft, hab mir Musiker gesucht, hab versucht, Sessions zu spielen.“


Unterbrochen hat er die Arbeit mit der neuen Band durch ein Projekt mit der SWR Big Band, zusammen mit dem Arrangeur Ralf Schmid, das nun als CD unter dem Titel „Public Jazz Lounge“ (Skip Records SKP 9040-2) vorliegt. Mit diesem Projekt hat sich Joo Kraus sehr deutlich in der Jazzwelt zu Wort gemeldet. Die Frage nach seiner Zugehörigkeit zum Jazz, und warum sich ein Jazzmagazin für die neue CD interessieren sollte, lässt ihn gelassen: „Die aus der Popmusik stammenden Stücke werden vom Arrangement, von den Improvisationsspots und von meiner persönlichen Phrasierung her gesehen unter einem jazzigen Aspekt angegangen. Und der Begriff des Jazz hat, wenn man sich zum Beispiel die Programme vieler Festivals ansieht, nicht mehr viel mit dem sogenannten traditionellen Jazz zu tun. Jazz war sicher auch früher in erster Linie diese offene Haltung, die möglich machte, verschiedene Sachen miteinander zu mischen und daraus neue Gerichte zu machen wie beim Kochen.“


Sein Weg zum Jazz war nicht der übliche entlang der Geschichte des Jazz: „Ich kam nicht von Charlie Parker zu Freddie Hubbard, sondern habe mich im Lauf der Zeit aus der Jetztzeit gefragt, woher das alles kam, und mir dann zurückgehend Charlie Parker und all die anderen erschlossen.“


Mit der neuen Aufnahme fasst Kraus viele musikalische Erfahrungen aus seinem bisherigen Leben zusammen. So geht die Titelauswahl in seine Jugend zurück. Titel von Earth Wind & Fire („Getaway“) sind genauso darunter wie „Scarborough Fair“ von Simon and Garfunkel. Und all das was ihn in seiner weiteren Entwicklung begleitet hat, seine Verehrung für Freddie Hubbard („Red Clay“) oder Erfolgstitel von Sting oder Björk oder Anklänge an Joe Zawinul („Birdland“) oder George Benson („Give Me The Night“). Außergewöhnliche Arrangements, ein nicht üblicher Einsatz der Big Band, Verbindungen von Jazz, Rhythm & Blues und Pop kommen zusammen in Joo Kraus Lounge, die kein privater oder „Business“-Raum sein soll, wie er es nennt, sondern ein öffentlicher, für alle zugänglicher Raum, in der auch eine öffentlich-rechtliche Big Band ihren Raum hat.


Seine Trompete bewegt sich zwischen Miles Davis, Randy Brecker und eben Joo Kraus, verbindet sich auf interessante Weise mit seinem rappenden Gesang.


Public Jazz Lounge: Ein Beispiel dafür, wie ein erfolgreicher Musiker auf der Grenze zwischen Pop und Jazz einen deutlichen Schritt zum Jazz hin tut und die Möglichkeiten, die diese Musik traditionell hat, auf eigene Art erweitert, für sich und ein größeres Publikum.

Konsequent geht er den Weg auch in Zukunft, zum Beispiel in der Begleitband von Nana Mouskouri, zusammen mit Kollegen wie Johannes Enders.


Hans-Jürgen von Osterhausen




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Joo Kraus ist aus der jüngeren deutschen Musikgeschichte nicht wegzudenken. Bekannt und berühmt geworden durch das Hip-Jazz Projekt Tab Two bedienen sich auch die Jazzkantine, De-Phazz, Fury In The Slaughterhouse, Kinderzimmer Productions, Peter Herbolzheimer, Charlie Mariano und Tina Turner seiner Kunst. An namhaften Credits und Name-Dropping-Listen mangelt es dem gebürtigen Ulmer also nicht.

Trotzdem erfährt seine Karriere mit dem Bruch des Erfolgsduos Tab Two 1999 einen gravierenden Einschnitt. Immerhin haben die zwei Jazzer, die sich aus den späten Kraan-Tagen kennen, fast zehn Jahre die Festivals ordentlich aufgemischt und sich eine umfangreiche Fanbase erspielt. Ohne Sie würde der gesamten 90er-Acid-Jazz-Gemeinde eine gewaltige Dimension fehlen. Ihr Hip Jazz begeisterte mit einem Mix aus Hip Hop, Trip Hop, Jazz, Latin und Drum'n'Bass.

Joo Kraus erblickt am 22.11.1966 das Licht der Welt im süddeutschen Ulm. Mit acht Jahren erhält er Klavierunterricht, ein Jahr später folgen die ersten Trompetenspielversuche. Ab 1985 darf er sich Bundespreisträger von "Jugend musiziert" schimpfen. Darauf folgt ein Musikstudium in München, das er 1989 abschließt. In der Zwischenzeit ist er bei Kraan eingestiegen, spielt mit ihnen an die 350 Konzerte und bläst für drei Alben in sein Horn (Kraan Live, Dancing In The Shade, Soul Of Stone). Daneben arbeitet er mit zahlreichen Philharmonischen Orchestern u.a. in München, Stuttgart und Ulm.

Anfang der 90er hat er sich genug Sporen verdient und gründet gemeinsam mit dem Kraan-Bassisten Hellmut Hattler das Trumpet and Bass - Duo Tab Two. Ausgestattet mit einer virtuellen Band sind die Beiden ein Tanz- und Gute Laune-Garant auf allen Festivals. Während ihrer Karriere spielen sie an die 700 Gigs in Europa, Amerika und Asien. Aufgrund persönlicher Schwierigkeiten (Bands sind ja auch ein bisschen wie eine Ehe) lassen sie sich Ende der 90er scheiden. Während Hellmut Hattler versucht, mit seinem Nachfolgeprojekt Hattler an die Erfolge von Tab Two anzuschließen, widmet sich Joo Kraus neuen Ufern.

Nach einer Zeit der Orientierung, in der er für namhafte Bands tätig ist, präsentiert er 2003 sein Debütalbum unter eigenem Namen. Seine "Public Jazz Lounge" stellt sich dabei als Fusion seiner musikalischen Erfahrungen dar: Jazz, Pop und Rap verschmelzen mit Big Band-Arrangements. Joe Zawinuls "Birdland" wird orchestriert, Björks "Venus As A Boy" verrapt, Earth Wind & Fires "Getaway" philharmonisiert, Mary J. Bliges "Love Is All We Need" verjazzt. Einen weiteren kommerziellen Durchbruch schafft er dadurch zwar nicht, dafür schenkt er der Welt einen eigenwilligen Erstling, der ihn als trittsicheren Grenzgänger kennzeichnet.


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Retorte macht in diesen Zeiten ja vor keinem Genre halt. So auch nicht vor Jazz. Angewidert muss ich oft feststellen, dass eine Trendwelle darin besteht, sogenannte Lounge und Chill Out Sounds in Übermassen zu produzieren, die Jazz, Funk und Samba um ihre Essenz berauben. Und das nur, um damit eine gesampelte, dünne Brühe zusammenzubrauen, die mir, im Loop gerührt, immer wieder übel aufstößt. Wo mein Problem liegt? Ganz einfach: Jazz ist ein Wesen, das ohne Auseinandersetzung nicht existieren kann. Denn Jazz hat Charisma. Und nur Charisma bietet immer wieder Anreiz zur Aufmerksamkeit. Die Bastler dieser „Lounge-fähigen“ Mixtracks, von denen dann 17 auf eine CD geballert werden, ihre computertechnischen Fähigkeiten in Ehren, unterziehen Jazzelementen einer Schönheitsoperation, in dem sie alles wegschneiden was Charisma ausmacht. Wie schön das am Ende aussieht, sieht man ja bei Michael Jackson. Jeder, der weiß, wie Jackson früher aussah, kann einfach nur fassungslos mit dem Kopf schütteln. Wer ihn allerdings nie als unberührten Menschen, sondern immer nur als Retortenprodukt kannte, wird sich, wäre Jackson regelmäßig präsent, schnell an sein „glattes“ Gesicht gewöhnen. Der Unterschied zwischen der Verstümmelung Jacksons und der des Jazz “... auf Lounge-Basis“ ist, dass Jackson sich sein Auftreten selbst gewählt hat.


Ja und ... was ist jetzt so schlimm an dem ganzen Kram?


Schlimm ist, das Jazzy Lounge Tunes der Zielgruppe die Ohren für den Geist, der im Wesen „Jazz“ schlummert, verschließen. Glatte Oberfläche und Sterilität versus Ecken und Kanten, nichts zu entdecken versus Abenteuer, Stumpf versus Blüte. So züchtet man sich klongeile Fanta-Pink-Grapefruit-Säufer mit abartigen Vorstellungen von gutem Geschmack.

Ich war sehr voreingenommen gegenüber Joo Kraus’ neuem Album, „Publik Jazz Lounge“.

Ich erwartete Samples, Scratches, einen Rapper, eine möchtegern R’n’B Queen, mit total geiler Stimme, unterlegt von trompetenden Jazzstudenten, die Adidas Old Skool Schuhe tragen und die unbedingt bei Viva untergebracht werden sollten.Ich ahnte ja nicht, dass Joo Kraus bei Tab Two gespielt hatte und sollte mich umgucken.

Denn schon die erste Nummer „Red Clay“, von Freddie Hubbard, ließ mich aufhorchen: „Das ist handgemacht...und ziemlich geil eingespielt.“ Aber deswegen griff ich noch nicht gleich zum Booklet. „Erstmal abwarten – meinem Kulturpessimismus wird schon noch was auffallen. Und außerdem setze ich mich nur mit originalem Jazz auseinander.“

Was mir auffiel, waren richtig knackige Bläsersätze, die keinen Bock auf irgendeinen Weichspüler-Kompromiss haben, sondern dem Hörer einfach nur um die Ohren gehauen werden. So, wie es die Breckers ’76 nicht anders gemacht hätten. Auch war ich überrascht über die entsprechende Abmischung dieses und der folgenden Tracks, als da wären „Fast Forward“, eine Eigenkomposition des, so war ich mir mittlerweile sicher, Könners und „Leaves“ – ebenfalls selbst geschrieben.

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„Da ist den Jungs echt ein Spagat gelungen, zwischen salonfähiger Fusion in heutiger Soundbrillanz und spielwütigen Solopassagen von damals.“ Es folgte irgendein, wie ich später erfuhr Björk-Stück, die ich bis dato uninteressant, seit Hören dieser Nummer aber auch betrachtenswert finde, das „Venus As A Boy“ heißt – aufregendes Jazzstück.


Und nun wurde diese CD wichtig für mich. Eine deutsche Band hat es getan – die ganze Zeit packen die Jungs amerikanischen Sound aus und jetzt covern sie tatsächlich einen George Benson Hit: Rod Tempertons “Give Me The Night”! Wow! Jetzt konnte ich auch endlich mal beurteilen, wie eigen das Arrangement wirklich ist – ich mag Temperton nämlich sehr. Und es ist echt cool, selbstgemacht und doch verflucht dicht am Original – einfach funky! Und deshalb gekauft.

Die abgefahrene, nahezu bedrängende Version von „Scarborough Fair“ tat meiner Begeisterung keinen Abbruch – düster, neblig aber immer kultiviert und sauber intoniert. Daneben konnte die groovige Nummer „Love Is All We Need“ nicht wirklich herausragen.

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Aber eine weitere Überraschung hielt man für mich bereit: „Birdland!“. Und auch diesen Klassiker haben diese exzellenten Musiker mit und für soviel Spaß aufbereitet, dass man richtig Bock auf Tanzen kriegt. Das folgende Stück „Hounds Of Winter“ wartet mit einer bombastischen Hookline auf und ist auch irgendwie Fusion-lastig. Dann gab’s noch 'n bisschen Earth Wind & Fire, weil „Getaway“ wollte man schon immer mal spielen – sagenhaft, dass das in Deutschland überhaupt klingt!


Auf „Back To The Basics“ erinnert mich Krausens Soloführung voll an Randy Brecker und auch die Arrangements kommen dem, auf groovigen Disconiveau, recht nahe. Alle beide würden das wahrscheinlich ganz anders sehen. „Meanwhile Life Goes On“ kann man so stehen lassen und die Ballade „One Moment In Time“, bekannt von Whitney Houston, macht deutlich, was hier gerade passiert ist:

Diese CD zu hören ist ein ganz besonderer Moment für Jazz-, Fusion-, Funk- und Discofans der guten alten Schule auf höchstem instrumentalistischem Niveau. Joo Kraus ist ein hervorragender Jazz-Trompeter, die SWR-Bigband is real big und weil dieses Album so anspruchsvoll wie gelungen ist, macht es auch nichts, dass irgendwer, ich glaube Kraus selbst, die ganze Zeit mit seichter Stimme im Hintergrund rappt und „Give me the night“ ins Deutsche übersetzt wurde.

Warum nicht? Weil es den Musikern gelungen ist, ihrer handgemachten Interpretation ein eigenes Charisma zu verleihen, das sich durchs ganze Album zieht. Deshalb darf auch jeder bei einer Fanta-Pink-Grapefruit zu dieser CD in einem stylischen Friseursalon mitwippen, weil sie „Public Jazz Lounge“ heißt, nichts beschneidet, deshalb funktioniert und folglich in die Charts gehört.

Damit verabschiedet sich ein Klugscheißer, der glaubt alles zu kennen, und der wieder mal eines Besseren belehrt wurde – eines Viel-Besseren: Joo Kraus!