treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

SIGI ZIMMERSCHIED

über den versuch ein haustier zu werden sowie die zentrifugalkraft der fantasie

DIDDIHASI
Über den Versuch ein Haustier zu werden

Ein Psychopath schwört ab.
Seine Heilung schreitet voran.
Seine anale Abundanz nimmt ab,
seine Moralspassmen werden moderater.
Ihn durchströmt bereits Bescheidenheit,
dialektischer Charme,
analystische Souveränität,
populärer Witz
und eine große Liebe zum Publikum.
Seine Übungen und Versuche,
Medientauglichkeit und Veranstalterliebe zu erlangen,
machen gute Fortschritte.
Er steht an der Schwelle
zum guten galatauglichen Massenkabarettisten.
Doch plötzlich......

Über den Versuch ein Haustier zu werden
sowie die Zentrifugalkraft der Phantasie.

Sigi Zimmerschied ist das bayerische unzerstörbare Urgestein aus der niederbayerischen Grenzstadt Passau. Bald 30 Jahre reibt sich der umgetriebene kompromisslose Kabarettist an seinem katholisch-kon- servativen Umfeld. Trotz vielfacher Anfeindungen und aufreibenden Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt, aus der er am Ende immer als Sieger hervorging, läßt er sich auch heute immer noch nicht klein kriegen.  
Aber das Schaffen des Passauer Kabarettisten beschränkt sich nicht alleine auf die Kleinkunstbühne. Als Schauspieler, Autor, Regisseur etc. bringt er ebenso deutlich seine urei- genste Meinung zum Ausdruck.
Mit seinem aktuellen Programm "Diddihasi" feiert er gerade wieder Erfolge auf vielen Bühnen im                         südlichen deutschen Sprachraum.                                                  

Sigi Zimmerschied wurde 1953 in der tiefkonservativen Bischofs- stadt Passau geboren. Nach umfassender katholischen Grundausbildung im „Katholischen Kindergar- ten“, Ministrantenkarriere, als Lektor und Pfarrjugendführer kämpfte er sich nicht ohne anzuecken durch das Gymnasium.  
Seinen ersten Auftritt absolvierte er im Exerzitien-Haus Maria-Hilf. Zusammen mit Bruno Jonas gründete er 1975 die Passauer Kabarett- gruppe "Die Verhohnepeopler".  Es folgten Aufführungen der "Himmelskonferenz" im Passauer Peschl- keller und der erste Konflikt mit der staatlich-kirchlichen Autorität, die in einem halbjährigen Ermittlungsverfahren wegen Gotteslästerung kulminierte. Zimmerschied wurde freigesprochen.
Das erste Soloprogramm "Zwischenmenschen" startete er 1976 (siehe alle Programme unten). Zimmerschied wurde Mitglied beim Münchner "Rationaltheater" und gab die satirische Zeitung "Hirtenbrief" heraus. Ein erneutes Ermittlungsverfahren wegen Verunglimpfung des Staates endete erneut mit seinem Freispruch.
Den renommierten Deutschen Kleinkunstpreis für Kabarett erhielt Sigi im Jahr 1980. Weitere Preise                               folgten in den 80er Jahren (siehe Preise unten). Im Jahr 1983 gründete er das „Passauer Volkstheater“ als bewußt politisches Volkstheater. Nebenbei betätigte sich Zimmerschied immer wieder als Schauspieler in                               den Filmen "PEPPERMINT FRIEDEN", "GRENZENLOS", "DER WILDE CLOWN" und "HIMMELSHEIM". In "SCHARTL" trat er als Autor, Komponist, Darsteller, Regisseur und Produzent auf und bei                               "DANEMLEM" als Regisseur und Darsteller.  

SIGI ZIMMERSCHIED.    V  I  T  A  
1953  geb. in Passau als Sohn eines verbeamteten Langstreckenläufers und einer späten Weltenbummlerin . Kath. Kindergarten, Ministrantenkarriere, Lektor, Pfarrjugendführer.  

1963  "Der aufsässige Schüler muß jedoch auch in Zukunft ständig überwacht werden" (Zeugnisbemerkung )
 
1971 - Letzte heilige Beichte
Verweisrekord am Gymnasium Leopoldinum in Passau  
Erste Einsichten in die Fragewürdigkeit geliebter Institutionen
 
1972  Erster und letzter Disco-Besuch  

1973  Erster öffentlicher Auftritt im Exerzitien-Haus Maria-Hilf
 
1974  "Der Auferstehungsbegriff bei Marxens''  Thema der ersten Hauptarbeit für Religionspädagogik im Fernstudium

1975  Zusammen mit Bruno Jonas Gründung der Passauer Kabarettgruppe "Die Verhohnepeopler"   , Aufführung der "Himmelskonferenz" im Passauer Peschlkeller.
Halbjähriges Ermittlungsverfahren wegen Gotteslästerung - Freispruch
Körpergewicht: 82 kg  

1976  1.Soloprogramm: "Zwischenmenschen"
Tod des Vaters
Grundlegende Einsicht in die Relativität von Lebensentwürfen
 
1977    
Mitglied beim Münchner "Rationaltheater"
Erster Einblick in die Fragwürdigkeit von institutionalisiertem Kabarett

1978  2.Soloprogramm: "Haltungsschäden"  

1979  Herausgabe der satirischen Zeitung "Hirtenbrief"  
3. Soloprogramm: "A ganz a miesa, dafeida, dreggiga Dreg san sie"
Halbjähriges Ermittlungsverfahren wegen Verunglimpfung des Staates - Freispruch
 
1980  Deutscher Kleinkunstpreis für Kabarett
Körpergewicht: 86 kg

1982  4.Soloprogramm: "Passauereien"

1983  Gründung des Passauer Volkstheaters als bewußt politisches Volkstheater.
Erste Produktion: "Neubayerischer Bilderbogen"

1984    Ernst Hoferichterpreis  
Darstellerpreis Filmfest Locarno für "Grenzenlos"

1985  2. Volkstheaterproduktion: "Für Frieden und Freiheit"
Berliner Wecker (Kabarettpreis)  1. Sommerdiät  Körpergewicht 78kg

1986   5.Soloprogramm: "Betondeppn"
Ludwig Thoma Medaille  Erster Einblick in die Fragwürdigkeit von institutionalisierter Preisvergabe

1987  Eheschließung
Körpergewicht 88kg
 
1990  6.Soloprogramm: "Ausschwitzn"
Gründung der Hirtenbrief Produktion
Körpergewicht: 92kg

1991  Tod der Mutter

1992  Produktionsbeginn "Schartl",
freifinanzierter Spielfilm als Autor, Komponist, Darsteller, Regisseur und Produzent
Kalendarium 1991 (Öffentliches Tagebuch)
 
1993  Kalendarium 1992

1995  Präsentation "Schartl" in den Kinos und als Wanderkinoprojekt
Erweiterter Einblick in die Beschränktheit institutionalisierter Filmpolitik
Körpergewicht: 110kg
 
1996  7.Soloprogramm  "Danemlem"

1998  Fernsehproduktion "Danemlem" mit SDR
Regie und Darsteller
Körpergewicht: 125 kg
 
1999  Soloprogramm: "IHOBS"
2.Sommerdiät
Körpergewicht: 92kg
Seit zwanzig Jahren erstmals wieder normale Leberwerte
 
2000  Gewicht gehalten
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
ein interview
Kabarettist Sigi Zimmerschied über sein neues Programm "Diddihasi" und die devote Gesellschaft

Seit mehr als 25 Jahren redet Sigi Zimmerschied voller Grant und Ekel gegen den Zeitgeist im allgemeinen an,gegen Klerus, Kleingeistigkeit und karrieregeile Kollegen im besonderen. Der 49-Jährige gehört zu den letzten Größen des anspruchsvollen kritischen Kabaretts. Das Fernsehen hat er im Gegensatz zu Kollegen wie Gerhard Polt und Bruno Jonas stets heftig abgelehnt. Seine Programme "Ausschwitzn" und "Danemlem" gelten als Höhepunkte der deutschen Kleinkunst. Jetzt hat er ein neues, sein neuntes Solo-Programm geschrieben: "Diddihasi. Über den Versuch ein Haustier zu werden".

SZ:Wann haben Sie zum letzten Mal gelacht?
Zimmerschied:Ich lache zur Zeit eigentlich viel, weil es mir recht gut geht.
Und so richtig schallend?
Ich glaube, das war heute Mittag.
Worüber?
Wir haben uns im Passauer Scharfrichterhaus über zwei Kabarettisten unterhalten. Über einen, der das Schweigen ausfüllt. Und über einen, der kurz nach dem gesprochenen Punkt verschwindet - und dann mit der ersten Silbe wieder auftaucht. Die haben wir bildhaft nebeneinander stehen lassen und sehr viel darüber lachen können.
Was freut Sie sonst so an Menschen?
Ich kann mich über alle freuen, die beweglich sind, Humor auch im Sinn von Lust an verbalen Kleingefechten haben, Offenheit und Spielfreude. Menschen, mit denen man blödeln kann und sich zusaufen, und es ist bis zum letzten Promill, das man mitkriegt, noch eine neue, überraschende Idee möglich. Alles, was jenseits der Dumpfheit und Selbstgerechtigkeit des Abgeschlossenhabens liegt - darüber kann ich mich amüsieren.
Haben Sie schon mal aus Versehen über einen Comedy-Menschen im Fernsehen lachen müssen?
Eine brilliante Pointe oder schräge Geste - da muss ich schon lachen. Ich will nur nicht, dass man das dann Kabarett nennt. Kabarett irritiert im besten Fall, stellt Fragen, verstört, bezieht Position. Kabarett bricht manchmal die Unterhaltung, Comedy unterhält manchmal bis zum Erbrechen.
Was passiert in "Diddihasi"?
"Diddihasi" ist ein Synonym für eine lächerliche Verkleinerung. Das Programm schildert den Versuch von jemandem - der sehr starke Züge von mir hat - sich selber zu domestizieren, sich kleiner zu machen, als er ist, um endlich auch der Masse, der Quantität zu genügen und nicht immer nur der Qualität. Es ist ein einziges Katz-und-Maus-Spiel mit dem Publikum. Diese Figur probiert in ihren verzweifelten opportunistischen Anfällen Formen durch, die populär sind.
Wie ist das bei Ihnen in echt?
Opportunistische Gedanken kommen wie lästige Albträume: Ein bisschen mehr Zeitgeist und du würdest das Fünffache verdienen. Das ist eine große Versuchung, aber auch eine Form von Selbstzweifel. Und immer, wenn mich etwas bedrückt hat, habe ich satirisch darauf reagiert: auf die Klosterschwestern im Kindergarten, die Lehrer in der Schule, die Politiker. Jetzt ist etwas in mir selber, das mich stört und beschäftigt. Vielleicht bin ich ja der erste Kabarettist, der sich selber parodiert.
Oder ist das, wie Ihre Kritiker sagen, eine schon gebetsmühlenartige Larmoyanz?
Es gibt Menschen, die Probleme haben, Larmoyanz und Tiefe voneinander zu trennen. Es gibt auch eine intellektuelle Tiefenangst bei denen, die längst aufgegeben haben, sich Fragen zu stellen. Aber das vorherige Programm "Ihobs" hatte tatsächlich Züge einer unkabarettistischen Schwere. Es hat Stimmungen stehen lassen, die der saloppe Kabarettist auflöst. Ich glaube, "Diddihasi" ist das lustigste und schwebendste Programm, das ich je geschrieben habe.
Seine Umsetzung ist weniger theatral als "Ihobs". Warum?
Das Wesen von "Diddihasi" ist Reduktion. Die Figur fängt eh schon sparsam an, auch, um Kosten zu sparen und der völligen Verarmung der Kleinkunstbühnenbetreiber vorzugreifen. Dann verzichtet "Diddihasi" sukzessive auf Scheinwerfer für Scheinwerfer, baut sich ab, bis er sich am Schluss mit zwei kleinen Taschenlampen selber von innen beleuchtet.
Das klingt, als seien Sie ein Opfer der Rezession.
Mir geht es hier um Feigheit und Vorweg-Beschränkungen. Der Mensch macht sich gerne kleiner, wenn es ihm dient. Suchen Sie heute mal einen Job. Man ist wieder so weit wie in der Adenauer-Ära, wo man devote, bittstellerische, kleinmacherische Gesuche schreiben musste. Es ist ein Zug, der die gesamte Gesellschaft erfasst hat: dieses Aussterben von wirklich Verrückten, das Schrumpfen von Reservaten für Außenseiter, Ausnahmen und schräge Figuren. Es gibt so ein Gedrängel in der Mitte, dass dort eigentlich alle schon erstickt sein müssten. Man sieht es auch an unseren Politikern. Ganze Länder und Erdteile verfallen in ein neues Vasallentum.
Meinen Sie immer noch, Kabarett könne etwas ändern?
Es ist ein ewiger Versuch. Dass Kabarett etwas bewirkt, ist schwer zu belegen, aber auch schwer zu widerlegen. Das unterstützen des Menschen in seinen anti-autoritären Reflexen, das ist die Aufgabe des Kabaretts. Ich mache jetzt schon seit 25 Jahren diese Therapie.
Sprechen hilft?
Wer versucht, seine Welt in mehr als drei Sätzen zu erklären, ist suspekt. Das Komma ist innerhalb einer Handy-Generation im Satzzeichen-Menü von Platz vier auf zehn abgerutscht. Da sitzt jetzt der Klammeraffe. Nicht mal die Handy-Hersteller trauen der nächsten Generation einen Nebensatz zu. Wenn man das Explodieren der technischen Möglichkeiten im Kommunikationsbereich anschaut und das, was herauskommt, wird die Witzfigur Mensch immer grotesker - weil sie immer mehr dazugehören will zu diesem Haufen und sich selber immer kleiner macht.
Es gibt also doch nicht so viel zu lachen?
Lachen ist was für eine Doktorarbeit.

DONAUKURIER:
Die Urgewalt aus Passau ist zurück, und das ist ein kabarettistisches Ereignis ersten Ranges.

Zimmerschied teilt aus, weil er einstecken muss, sich den medialen kabarettistischen Alibinischen verweigert und sich nicht von denen bezahlen lässt, die er attackiert. Zimmerschied auf dem Nockherberg - das wäre undenkbar, weil ihm die VIPs im Publikum dermaßen zuwider sind, dass er deren säuerlichen Beifall nicht auch noch hinehmen will.

Zimmerschied verfügt über Rückgrat. Weil das so ist, hat er auch das Recht, seinen Opfern mit brachialer Wortgewalt an den Karren zu fahren. Ob das die Passauer Neue Presse ist, Politiker oder Berufskollegen, ob von der Oma gesponserte Pseudostudenten oder Designerbayern - wer schleimt, sein Fähnchen nach dem Wind richtet, wer Überzeugungen aufgibt und nur Schein statt Sein bietet, der ist fällig. "Design vergeht - Dummheit bleibt", so der Kommentar an Trendys und Hipsters.

Dabei will er und das ist freilich dann doch nur "gespielt" und gehört zum Stück - ja endlich ein "guter" Kabarettist sein, einer, der den Leuten nach dem Mund polemisiert, um den Geschmack der zahlenden Kundschaft weiß. Doch es bleibt beim Wollen, denn schon nach dem ersten Satz merkt man, wie sich der Mann regelrecht davor ekelt, auch nur ein Jota seiner inneren Überzeugung preiszugeben. Wie er sich beim Einschleimen geradezu windet, das ist auch schauspielerisch einzigartig.

Zimmerschied ist eben keiner für die Küsschenfraktion, die "Diddihasis", "Luddigaggis" und "Wutziputzis", die ihren Urlaub so gerne in der "Domi" oder auf "Fuerte" verbringt, vor deren Sprache allein ihm schon graust. Diese Ebene ist ihm, der verbal über die Schlagkraft eines Hammers ebenso verfügt wie über die Sanftmut der Poesie, nun doch zu niedrig. Dass Zimmerschied über eine schon fast - vor allem für die ersten Reihen - beängstigende Bühnenpräsenz verfügt, weiß man. Diesmal bespielt er jedoch den ganzen Saal, kokettiert mit seinem eigenen Rollenverstänis und mit den Erwartungen der Zuschauer und packt jeden Einzelnen direkt an. Von Angesicht zu Angesicht.

Ein wahrhaft meisterlich konzipiertes und einzigartig umgesetztes Programm, das zwar an den Zimmerschied früherer Tage durchaus erinnert, die alten Zeiten aber nicht lediglich zu Revivalzwecken wieder hervorholt. Trotz einiger vergangener Großtaten wie "Betondeppn", "Ausschwitzn" und "Danemlem" vermutlich sogar das Beste, das er bisher auf die Bühne brachte.

 
E C K D A T E N

Deutscher Kleinkunstpreis für Kabarett (1980)
Ernst-Hoferichter-Preis (1984)
Darstellerpreis Filmfest Locarno für "Grenzenlos" (1984)
Berliner Wecker – Kabarettpreis (1985)
Ludwig-Thoma-Medaille (1986)
                       
"Zwischenmenschen" (1976)
"Haltungsschäden" (1978)
"A ganz a miesa, dafeida, dreggiga Dreg san sie" (1979)
"Passauereien" (1982)
"Betondeppn  (1986)
"Ausschwitzn" (1990)
"Danemlem" (1996)
"Ihobs" (1999)
"Diddihasi"              
                       
"PEPPERMINT FRIEDEN" (1982)    
"GRENZENLOS" (1983)
"DER WILDE CLOWN" (1986)
"HIMMELSHEIM" (1989)
"SCHARTL" (1992)       
"DANEMLEM" (1998)